Die Finanzwelt sieht sich einem neuen Typ Bankenkrise gegenüber. Es reichen wenige Problemhäuser, um eine Krise auszulösen, die schnell eskaliert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass finanzielle Schieflagen im Immobilienbereich auch hiesige Banken zu Kreditabschreibungen zwingen.
Seit dem 12. März dieses Jahres sind gerade einmal drei wenig prominente US-Regionalbanken infolge der Zinserhöhungen der US-Notenbank Federal Reserve gescheitert. Und doch hat sich die Lage nicht beruhigt. Man wird das Gefühl nicht los, dass hinter diesen Pleiten mehr stecken könnte, als mit dem bloßen Auge sichtbar ist.
Wie mein früherer Kollege Jim Reid von der Deutschen Bank analysiert hat, betrug die Bilanzsumme der drei gescheiterten Geldinstitute rund drei Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP). Nach diesem Maßstab war ihr Ausfall eine der größten Bankenpleiten der vergangenen 100 Jahre.
In der Großen Depression der 1930er-Jahre fielen an die 10.000 Institute mit einer Bilanzsumme von knapp 6,5 Prozent des BIP aus, in der Sparkassenkrise Anfang der 1990er-Jahre waren es 2000 Banken mit einer Bilanzsumme von rund drei Prozent des BIP, und in der Finanzkrise von 2007/08 gingen knapp 500 Geldhäuser mit einer Bilanzsumme von rund 2,5 Prozent des BIP bankrott. Jetzt reichten drei Banken für einen Ausfall in einer ähnlichen Größenordnung. Die jüngste Pleitewelle war aber nicht nur die am stärksten konzentrierte, sondern auch die schnellste.
Credit Suisse galt als Einzelfall
So verlor zum Beispiel die Silicon Valley Bank an einem einzigen Tag 23 Prozent ihrer Einlagen. In früheren Krisen brauchte es dafür Wochen. Es scheint, dass die zunehmende Konzentration im Finanzsektor und die schnelle Kommunikation in den sozialen Medien die Art der Bankenkrisen verändert haben: Es reichen wenige Problemhäuser, um eine Krise auszulösen, die schnell eskaliert.
Bisher fühlt sich Europa von der amerikanischen Bankenkrise nicht betroffen. Den Bankrott der Schweizer Bank Credit Suisse sieht man als einen Einzelfall, der sich nicht wiederholen wird. Diese Haltung erinnert an das Jahr 2007, als man die Krise im US-Hypothekenmarkt zunächst ebenfalls als ein rein amerikanisches Problem betrachtete.
Doch auch an den europäischen Banken werden die Zinserhöhungen nicht spurlos vorübergehen. Insbesondere für die deutschen Häuser könnten die Entwicklungen am Immobilienmarkt Herausforderungen bringen. Was höhere Zinsen in diesem Markt bedeuten, zeigt eine einfache Rechnung.
Im Bundesdurchschnitt zahlt man für einen Quadratmeter Wohnraum circa 3300 Euro für die Anschaffung und 9,50 Euro für die Monatsmiete. Daraus ergibt sich eine Jahresrendite von 3,5 Prozent, aus der die Kosten der Finanzierung, Instandhaltung und Verwaltung bezahlt werden müssen.
Steigen nun bei unveränderten Mieten die Zinskosten um drei Prozentpunkte, sinkt die Bewertung des Wohnraums um 46 Prozent auf 1766 Euro pro Quadratmeter. Zudem verlangt die rigorose Heizungspolitik der Bundesregierung Investitionen zur Erhöhung der Energieeffizienz, die für Bestandsimmobilien auf etwa 400 Euro pro Quadratmeter geschätzt werden. Daraus folgt ein weiterer Rückgang der Bewertung um insgesamt 59 Prozent auf 1366 Euro pro Quadratmeter.
Ende vergangenen Jahres betrug die Summe der ausstehenden Kredite deutscher Banken für den Wohnungsbau 1,8 Billionen Euro. Mit ihrem Eigenkapital von rund 750 Milliarden Euro könnten sie nur Abschreibungen um 42 Prozent decken. Auch wenn sich der rechnerische Rückgang der Bewertung nicht unmittelbar in einen entsprechenden Fall der Marktpreise übersetzen wird, könnten finanzielle Schieflagen im Immobilienbereich entstehen, die Banken zu Kreditabschreibungen zwingen.
Bisher scheinen alle Beteiligten zu hoffen, dass etwaige Abschreibungen überschaubar und weit verteilt sein werden. In den kommenden Monaten wird sich wohl zeigen, ob diese Hoffnung berechtigt ist.
Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute.
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