Die Dimensionen, die Technik, die Möglichkeiten, der Geheimnisschutz – im Zukunftsmarkt Laserkommunikation im Weltraum ist vieles Unvorstellbar. Es geht um den Transfer riesiger Datenmengen in Lichtgeschwindigkeit über Tausende Kilometer. Entweder zwischen Satelliten, die selbst durch den Weltraum rasen oder von Satelliten zur Erde und zurück. Dass dies möglich ist, hat bereits vor Jahren das zu Airbus gehörende Unternehmen Tesat-Spacecom aus Backnang bei Stuttgart bewiesen.
Einst glaubten nur wenige an die Technik. Inzwischen herrscht Goldgräberstimmung im Weltraum und Tesat bekommt Konkurrenz. Die Zahl der Satelliten im All wächst extrem. Im Frühjahr 2022 umkreisten etwa 5500 aktive Satelliten die Erde – 2030 könnten es nach Branchenschätzungen 100.000 sein.
Die meisten Betreiber von Satellitenflotten setzen für den Datenaustausch dabei auf die im Weltraum unsichtbaren Laserstrahlen, in Ergänzung zur Funk-Kommunikation. Allen voran Satelliten-Marktführer Elon Musk mit seinem Starlink-Satellitennetz mit eigener Lasertechnik.
Angesichts des rasant wachsenden Marktes war es nur eine Frage der Zeit, bis an der weltweit führenden Marktstellung des deutschen Laserkommunikationsspezialisten Tesat gerüttelt wird. Einer der ambitioniertesten Rivalen ist Mynaric mit Sitz in Gilching bei München und seit 2017 an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert. Im Kern ist Mynaric kein Start-up, denn das Unternehmen startete 2009 unter dem Dach des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt), wurde ausgegründet und privatisiert.
Inzwischen geht Mynaric unter Führung des seit 2019 amtierenden Vorstandschefs Bulent Altan (45) auf Angriffskurs und positioniert sich als Tesat-Rivale. Der Kontrast könnte kaum größer sein. Einerseits der über 60 Jahre alte Tesat-Konzern mit rund 350 Millionen Euro Umsatz, knapp 30 Millionen Euro Gewinn (2021) und 1100 Beschäftigten.
Anderseits Mynaric mit bislang nahezu Null-Umsatz und immensen Anlaufverlusten. Im ersten Halbjahr 2022 waren es gerade einmal 25.000 Euro Umsatz und gewaltige 35 Millionen Euro Verlust. Der Börsenkurs ähnelt einer Achterbahnfahrt, von anfangs 16,50 Euro auf 87 Euro im Februar 2021, runter auf rund 13 Euro Ende 2022 und zuletzt wieder rund 24 Euro.
Für Branchenbeobachter hängen die Schwankungen damit zusammen, dass der finale Praxistest über das Funktionieren der Laserterminals im Weltraum (Produktreihe Condor) noch fehlt. Bei Simulationen auf der Erde klappte es – aber im All? Mynaric hofft auf einen ersten Start der Condor-Laserterminals in den Weltraum bis Jahresmitte, heißt es auf Anfrage. Bei Datenlinks zwischen Bodenstationen und Flugzeugen oder Kampfjets (Produkt Hawk) funktionierte die Technik schon vor Jahren.
Was Mynaric im Weltraum noch beweisen muss, hat Tesat mit mehreren Laserterminals im All in der Praxis bereits gezeigt. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass Tesat-Laserterminalexperte Matthias Motizgemba mit Blick auf den Wettbewerber von einem „Schicksalsjahr für Mynaric“ spricht, bei dem nun die Weichen gestellt werden.
Tesat habe mit seinen Laserterminals schon vor Jahren bewiesen, wie sich Daten zwischen Satelliten über Distanzen von bis zu 80.000 Kilometer im Weltraum oder auch über Hunderte Kilometer zum Boden übertragen lassen. Die Laserkommunikation klappte zwischen Satelliten, die in 360.000 Kilometer Höhe über der Erde flogen.
Tesat ist es bereits gelungen, im All Datenpakete im Umfang von einigen Gigabits über Tausende Kilometer zu übertragen. Dabei fliegen Erdbeobachtungssatelliten mit einer Geschwindigkeit von 25.000 km/h. Nunmehr entstehen Laser-Datennetzwerke im All mit Satelliten in unterschiedlicher Flughöhe, die mit der Übertragung von Glasfasernetzen auf der Erde mithalten können.
Tesats Laserterminals würden bereits täglich Datenpakete mit bis zu 1,8 Gigabit pro Sekunde im All übertragen, heißt es. Zum Vergleich: Das ist in etwa die Datenmenge von rund 360.000 beschriebenen DIN-A4-Seiten. Im Unterschied zum Datenfunk lassen sich per Laser übertragene Daten praktisch auch nicht abhören. Dabei kommen jetzt neuartige Verschlüsselungen (Quantenkryptografie) zum Einsatz.
Tesat gegen Mynaric ist noch mehr als nur als ein Wettbewerb des europäischen Marktführers gegen einen Neuling. Es sind auch unterschiedliche Geschäftsmodelle und ein Markt, bei dem immer neue private oder staatliche Satellitenprojekte von Unternehmen, der Politik oder den Militärs verkündet werden. Im Mittelpunkt steht das Ziel sicherer Datennetze mit Satellitenflotten, die Hunderte oder Tausende Satelliten umfassen. Ein Massenmarkt am Start.
Neuer Konkurrent Mynaric setzt auf preisgünstigere Serienfertigung
Mynaric setzt vor allem auf die Serienfertigung möglichst preisgünstiger Laserterminals. „Ohne Risikobereitschaft und Optimismus würde nie etwas Neues entstehen. Das ist auch der Unterschied von jungen Unternehmen zu etablierten Anbietern“, sagt Mynaric-Chef Altan auf Anfrage. „Wir bauen Technik zu Preisen, mit einem Bruchteil von früher“, argumentiert er.
Die Raumfahrt stehe vor großen Umwälzungen mit künftig rund Hunderttausend Satelliten im All, wovon der Großteil Laserkommunikationsterminals haben werde. „Die dürfen dann nicht teuer sein und müssen in Massen produzierbar sein“, so Altan.
Die bisherigen Millionenverluste machen den Mynaric-Chef mit türkischen Wurzeln, der einst über ein Jahrzehnt bei SpaceX von Elon Musk gearbeitet hat, nicht nervös. „Im Moment schreiben wir noch Verluste, aber wir wissen, welche jährlichen Volumen es braucht, um operativ schwarze Zahlen zu schreiben. Ab einigen hundert Terminals pro Jahr sollte das gelingen. Eine große Konstellation könnte uns auf den benötigten Wert bringen.“
Bei der Aufbruchstimmung geht es jetzt darum, wer den Fuß in der Tür zu den neuen Satellitenschwärmen bekommt, sei es vom US-Pentagon oder bei dem Projekt IRIS² der EU-Kommission oder diverser Privatvorhaben (Projekte UNIO oder Rivada, beide mit Sitz in München). Treiber im Markt sind wieder einmal US-Vorhaben und so hat Tesat neben der Fertigung in Deutschland jüngst eine US-Produktion aufgebaut.
Eine ähnliche Strategie verfolgt Mynaric. Großes Vertrauen in Mynaric hat der US-Rüstungskonzern Northrop Grumman, der einen Großauftrag platzierte, während der führende US-Rüstungskonzern Lockheed Martin auf die erprobte Technik von Tesat setzt.
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