Anzeichen gab es schon, dass Twitter der Bekämpfung von Desinformation unter dem EU-Pakt keine allzu hohe Priorität einräumt. Ganz aus der Affäre ziehen kann sich das von Elon Musk übernommene Unternehmen aus Sicht von Industriekommissar Thierry Breton aber nicht.
Twitter tritt nach Angaben aus der Kommission aus einem EU-Abkommen zur Bekämpfung von Desinformation im Internet aus. EU-Industriekommissar Thierry Breton twitterte am Freitagabend, die Social-Media-Plattform kehre dem freiwilligen Verhaltenskodex den Rücken zu.
„Aber Verpflichtungen bleiben. Man kann wegrennen, aber man kann sich nicht verstecken“, schrieb er. Über die freiwilligen Selbstverpflichtungen hinaus werde der Kampf gegen Desinformation im Rahmen des EU-Gesetzes über Digitale Dienste (DSA) vom 25. August an verpflichtend. „Unsere Teams werden zur Durchsetzung bereit sein.“
Das von Tech-Milliardär Elon Musk übernommene Unternehmen mit Sitz in San Francisco reagierte auf Presseanfragen zu dem Vorgang mit einer automatisierten Antwort – wie in den meisten Fällen. Stellung bezog Twitter nicht.
Seit der Übernahme hat Musk frühere Regeln gegen Desinformation abgeschafft, das plattformeigene Verifikationssystem für Nutzerkonten verworfen und durch ein Abomodell ersetzt und die Inhaltsmoderation ins Chaos gestürzt. Sein erklärtes Ziel ist, Twitter zu einem „digitalen Marktplatz“ zu machen.
Zu den Unternehmen, die den EU-Verhaltenskodex unterzeichnet haben, gehören neben Twitter etwa Google, TikTok, Microsoft sowie der Mutterkonzern von Facebook und Instagram, Meta. Das Abkommen verlangt ihnen ab, gegen die Verbreitung von Falschinformationen vorzugehen und regelmäßig Bericht über die Fortschritte zu erstatten.
EU-Kommission unzufrieden mit Twitters Verhalten
Anzeichen, dass Twitter nicht bereit ist, den selbstauferlegten Verpflichtungen nachzukommen, gab es bereits. Die EU-Kommission kritisierte das Unternehmen früher im Jahr bereits, als es versäumte, einen vollständigen ersten Bericht zum Kampf gegen die Falschinformationen vorzulegen. Was eingereicht worden sei, habe nur wenig spezifische Informationen und keine zielgerichteten Daten enthalten, hieß es.
Das Gesetz über Digitale Dienste, auf das sich Vertreter des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr verständigten, dient der Bekämpfung von Hassreden, Desinformation und anderen schädlichen Online-Inhalten. Nutzern von Plattformen soll es erleichtert werden, Probleme zu melden. Regulierungsbehörden sollen in die Lage versetzt werden, Nichteinhaltung mit Geldbußen in Milliardenhöhe zu ahnden. Unter anderem soll sichergestellt werden, dass illegale Inhalte schneller entfernt werden und schädliche Desinformation weniger Aufmerksamkeit erhält.