Robert Habeck hatte offensichtlich Spaß. „Ich bin jetzt seit 16 Monaten Minister, aber einen so coolen Empfang habe ich noch nicht erlebt“, beginnt der Bundeswirtschaftsminister seinen Auftritt beim Jahreskongress der deutschen Elektroindustrie.
Begrüßt wurde der Grünen-Politiker im abgedunkelten Saal des Berliner Congress Center bcc mit einer Lichtshow passend zum laut aus den Boxen dröhnenden AC/DC-Klassiker „Thunderstruck“. Das habe ihm schon richtig gut gefallen, lobt Habeck. Und es sollte längst nicht die einzige Anerkennung für die Branche bleiben.
Der Ärger der vergangenen Tage und Wochen mit Graichen-Affäre und anhaltendem Streit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit den umstrittenen Heizungsvorgaben schien wie weggeblasen. Aber Habeck traf auch auf ein dankbares Publikum.
Denn die Branche unterstützt seine Heizungspläne und plädiert auch sonst für so viel Elektrifizierung wie möglich. Das sei der einzige Weg, um die Klimaziele zu erreichen, heißt es vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), dessen Claim schon seit geraumer Zeit „All-Electric-Society“ lautet.
Dass sich der aktuelle Weg mit Energiewende und grüner Transformation in der Industrie für die Branche lohnt, wird dabei nicht verschwiegen. „Wir sind schon auch die heimlichen Gewinner“, gibt der frisch wiedergewählte ZVEI-Präsident Gunther Kegel zu.
Und tatsächlich zeichnet sich eine Sonderkonjunktur für große Teile der Elektroindustrie ab. Schließlich verkaufen die Unternehmen dieser Branche die passenden Bauteile und Produkte etwa für den notwendigen Netzausbau, für Schalt- und Umspannwerke, für Energiespeicher, für Smart Meter und intelligente Stromnetze oder auch für Digitalisierung und Automatisierung.
Sonderfall Elektroindustrie
Ein paar Prozentpunkte mehr Wachstum als ohnehin möglich, sieht Kegel daher für große Teile der Branche in den kommenden Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten. Auch jetzt schon hebt sich die Elektroindustrie von anderen Industriezweigen in Deutschland ab.
Während etwa der Maschinenbau ebenso wie die Chemieindustrie mit Produktionsrückgängen rechnen, hat der ZVEI seine Jahresprognose trotz eines, wie es heißt, „herausfordernden makroökonomischen geopolitischen Umfelds“ erst kürzlich erhöht: von null auf ein bis zwei Prozent.
Und das erscheint noch konservativ. Denn im ersten Quartal ist die Produktion der Unternehmen preisbereinigt und real um sechs Prozent gestiegen. Dazu liegt der Auftragsbestand mit 5,5 Monaten auf einem historisch hohen Niveau.
Zwar schwächeln gerade vor allem die der Bauindustrie nahen Branchenbereiche. Und auch der Hype bei den Wallboxen ist spürbar abgeebbt, nachdem die Förderung durch den Bund ausgelaufen ist.
Dafür haben die Industrieausrüster Hochkonjunktur. Und die Lieferanten für intelligente Stromnetze und den Netzausbau insgesamt sind mittlerweile für die kommenden zwei bis drei Jahre ausgebucht, wie Verbandschef Kegel berichtet.
„Müssen Wärmewende endlich einleiten“
Die Flaute im Geschäft mit Elektroinstallationen für Gebäude könnte derweil schon bald enden, selbst wenn die Baukrise in Deutschland weiter anhält. Zu tun hat das auch mit Habecks Heizungsplänen.
Denn 70 Prozent der Elektroanlagen im Gebäudebestand in Deutschland sind älter als 40 Jahre und damit nicht vorbereitet für neue Anwendungen wie Wärmepumpen oder Energiespeicher, heißt es vom ZVEI. „Sie müssen zuvor geprüft und gegebenenfalls saniert werden“, sagt Wolfgang Weber, der Vorsitzende der Geschäftsführung des Verbandes.
Er begrüßt das GEG und nennt die Diskussionen darum „übertrieben aufgeregt“. Dabei dürfte jetzt nicht noch mehr Zeit verschwendet werden. Der Umbau in Richtung Klimaneutralität gehe schon zu lange nur in Trippelschritten voran. „Die Idee dahinter ist richtig. Wir müssen die Wärmewende endlich einleiten“, fordert Weber.
Über die genutzte Technologie sollte indes der Markt entscheiden. „Wir plädieren für Technologieoffenheit statt präziser Vorgaben.“ Die Wärmepumpe hält Weber aber für besonders geeignet und verweist auf technische Daten zur Effizienz. So würden damit aus einer Kilowattstunde Strom drei bis vier Kilowattstunden Wärme entstehen.
Eine Gasheizung dagegen schaffe mit einer Kilowattstunde Gas lediglich 0,9 Kilowattstunden Wärme. Und bei Wasserstoff sei der Faktor noch mal deutlich schlechter.
Habeck lobt Elektroindustrie
Diese zustimmende Haltung hat auch Minister Habeck registriert und instinktiv dazu genutzt, den Saal mit rund 700 Branchenvertretern für sich einzunehmen. Jedenfalls gab es ein Vielfaches mehr an Applaus als zuvor bei den Reden von Digitalminister Volker Wissing (FDP) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne).
Habeck hat dabei wiederholt lobende Sätze gesagt, wie zum Beispiel „Danke, dass sie zeigen, was Deutschland zu leisten imstande ist“. Er hat das Engagement, die Innovationskraft und die „cleveren Ideen“ der Elektroindustrie betont und dazu eine rosige Zukunft gemalt: „Digitalisierung und Elektrifizierung werden die Geschäftsmodelle der Zukunft maßgeblich prägen – und sie damit eine Leitbranche sein.“
Dazwischen hat Habeck immer wieder die geplante grüne Transformation und damit auch sein GEG verteidigt. „Wenn wir es nicht tun, weil es zu anstrengend ist, zu teuer, zu kompliziert, politisch zu anspruchsvoll und zu krass, dann ist das ein fataler politischer Fehler und gefährdet den Wohlstand. Wir müssen uns verändern, weil sie Welt um uns herum sich verändert.“
Aber natürlich könne man über die Geschwindigkeit reden, über die Schrittfolge, die Zusammensetzung der Pläne, die Förderung, die Bepreisung, die Steuerung. „Das sind alles relevante politische Debatten und sie müssen energisch und engagiert geführt werden.“ Zuletzt allerdings habe die Debatte „interessante Züge“ angenommen, allen voran beim Thema GEG.
Kritik am Wärmepumpen-Plan
Habecks geplanten Weg zu mehr Wärmepumpen sieht der ZVEI dagegen kritisch. „Wir brauchen mehr Marktwirtschaft statt dirigistische Politik mit teils haarfeinen Vorschriften“, sagt Verbandspräsident Kegel. Und dazu gehört für ihn auch ein wettbewerbsfähiger Strompreis für alle.
„Das hilft der Industrie bei der Dekarbonisierung, aber auch für das Erreichen der Klimaziele im privaten Bereich, etwa im Verkehr und im Gebäudesektor. Denn wenn der Strom billig genug ist, bauen die Menschen freiwillig eine Wärmepumpe ein, auch ohne Gasheizungsverbot. Und sie kaufen dann auch Elektroautos statt Verbrenner.“
Mit dem passenden Strompreis brauche es viele Gebote, Verbote und Gesetzesvorhaben erst gar nicht. Das müsse jetzt nur noch der Minister verstehen.
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