Lars Klingbeil fordert höhere Abgaben für Besserverdiener. Dass der SPD-Chef damit versucht für seine Partei auf Stimmenfang zu gehen, mag verständlich sein. Gute Argumente für eine höhere Steuerlast gibt es aktuell aber nicht. Im Gegenteil.
„Die SPD will grundsätzlich, dass diejenigen, die viel haben, auch mehr leisten zur Finanzierung des Gemeinwohls“, hat SPD-Chef Lars Klingbeil gerade via „Bild am Sonntag“ verkünden lassen. Klingt gut – und passiert längst. Das oberste Prozent der Spitzenverdiener in Deutschland schultert allein fast 23 Prozent der gesamten Einkommensteuereinnahmen, die obersten zehn Prozent tragen fast 56 Prozent.
Klingbeil versucht also mit einer Forderung für seine Partei auf Stimmenfang zu gehen, die längst erfüllt ist. Das mag sogar verständlich sein bei einer Partei, die früher mal Arbeiterpartei und Anwalt der Armen war – gute Argumente für eine höhere Steuerlast gibt es aktuell aber nicht. Im Gegenteil.
Die Steuereinnahmen sprudeln trotz wirtschaftlich düsterer Aussichten. Die hohe Inflationsrate und die geringe Arbeitslosenquote sorgen für volle Kassen: Je teurer Produkte werden, desto höher die Mehrwertsteuereinnahmen. Und je mehr Menschen in Beschäftigung sind, desto höher die Einkommensteuereinnahmen. Ein Einnahmeproblem sollte der Staat also gerade nicht haben.
Hinzu kommt, dass derzeit Deutsche schon mit knapp 58.600 Euro Jahreseinkommen den Spitzensteuersatz berappen müssen. Dabei ist das noch längst kein Einkommen, mit dem Arbeitnehmer die hohe Inflation mal eben locker wegstecken können.
Anstatt über höhere Belastungen für Reiche und vermeintlich Reiche zu sprechen, sollten die Ampelparteien sich über langfristig wirksame Entlastungen Gedanken machen und auf der Ausgabenseite nicht immer neue Wohlfühlpakete für das jeweils eigene Klientel schnüren.
Sinnvoll wären etwa ein jährlicher automatischer und vollständiger Ausgleich der kalten Progression und höhere Freibeträge, insbesondere für Geringverdiener, Alleinerziehende oder kinderreiche Familien.
Bevor Klingbeil und seine Partei über höhere Abgaben für Besserverdiener sprechen, sollten sie bei fast 850.000 offenen Stellen und rund 3,2 Millionen Arbeitslosen zunächst überlegen, ob sie nicht bessere Ideen als ein Bürgergeld haben, damit sich Leistung für alle wieder lohnt.
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