Am Elbehafen in Brunsbüttel könnte noch im Dezember das erste verflüssigte Erdgas umgeschlagen werden. Die Häfen von Hamburg und Brunsbüttel bekräftigen ihre enge Kooperation vor allem bei der Energieversorgung.
Draußen vor dem Fenster des Firmengebäudes läuft eine gelbe Pipeline in zwei rechten Winkeln ein Gerüst herunter und verschwindet dann auf einem Acker. „Diese Leitung wird demnächst erheblich dazu beitragen, Deutschlands Energieversorgung zu sichern“, sagte am Montag bei einer Fachkonferenz im Haus von Brunsbüttel Ports Joschka Knuth (Grüne), Staatssekretär im Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur von Schleswig-Holstein.
Durch die neue, drei Kilometer lange Anbindungsleitung werde demnächst das erste Erdgas aus dem Elbehafen von Brunsbüttel in das Verteilnetz von Schleswig-Holstein eingespeist. Auf diesem Weg werde indirekt dann auch der Hamburger Erdgasmarkt entlastet.
Drei schwimmende Importterminals für tief gekühltes, verflüssigtes Erdgas (LNG) sollen um die Jahreswende herum ihren Betrieb aufnehmen. Es sind umgebaute LNG-Tanker, sogenannte FSRU (Floating Storage and Regasification Units), die das auf minus 163 Grad gekühlte, verflüssigte Erdgas wieder in einen gasförmigen Zustand expandieren und es dann in das Landnetz weiterleiten. In einer solchen Installation liegen beim Gasimport also zwei Tanker – einer, der das LNG bringt und einer für Regasifizierung.
Bislang nutzte Deutschland kein LNG, weil es ausreichend mit russischem Pipelinegas versorgt worden war. Nach dem Beginn des Ukraine-Krieges aber stoppte Russland seine Lieferungen in diesem Jahr unter anderem auch durch die Ostseepipeline Nord Stream 1. Nun werden Deutschlands Seehäfen für die Energieversorgung schlagartig noch wichtiger.
Wilhelmshaven hat kürzlich bekannt gegeben, dass sein Anleger für eine schwimmende LNG-Importstation fertig sei. Laut Bundeswirtschaftsministerium soll am 21. Dezember dort das erste LNG aus einem Tanker eingespeist werden.
Bereit ist allerdings auch Brunsbüttel, das bei der Vorbereitung anders vorgegangen ist. Der Elbehafen baute keinen neuen Anleger für einen schwimmenden LNG-Importterminal, sondern rüstete einen bestehenden Anleger um. Dort werden normalerweise Erdöl und Propangas angelandet. Ein neuer LNG-Anleger wird ebenfalls gebaut – bereits jetzt aber kann Brunsbüttel tief gekühltes, verflüssigtes Erdgas übernehmen.
„Wir arbeiten zwar noch an vielen Details, haben aber schon einen fertigen Liegeplatz für einen FSRU“, sagte Frank Schnabel, Chef von Brunsbüttel Ports und dessen Mutterunternehen Schramm Group, der WELT. Er gehe davon aus, dass direkt nach der Ankunft des schwimmenden Importterminals in Brunsbüttel auch der erste LNG-Tanker daneben festmachen werde.
Der für den LNG-Import via Brunsbüttel zuständige Energiekonzern RWE hat für die Ankunft des FSRU und die erste Belieferung mit einem Tanker noch keine Daten genannt. Die historisch erste LNG-Lieferung nach Deutschland könnte aber nach aktuellem Stand noch im Dezember sowohl über Wilhelmshaven als auch über Brunsbüttel erfolgen. Weitere schwimmende LNGs-Importterminals sollen künftig in Stade und Lubmin liegen. In Lubmin steht derzeit ein rein privatwirtschaftliches, nicht vom Staat mitfinanziertes Projekt kurz vor der Fertigstellung.
Hamburg wiederum will, nach einem ersten Rückschlag in diesem Sommer, weiterhin versuchen, einen eigenen schwimmenden LNG-Importterminal zu bekommen, allerdings ein deutlich kleineres Schiff als zunächst geplant. Feste LNG-Importterminals sind für die kommenden Jahre außerdem in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel geplant. Mit all diesen Anlagen sollen die russischen Erdgasimporte weitgehend ersetzt werden.
Frank Schnabel gilt als Pionier der LNG-Idee in Norddeutschland. Vor elf Jahren schlug er erstmals den Bau einer LNG-Bunkerstation und später eines festen Importterminals in Brunsbüttel vor, um die deutsche Erdgasversorgung auf eine breitere Basis zu stellen.
Wegen der damals noch massiven Importe aus Russland – mehr als die Hälfte des deutschen Jahresbedarfs von rund 100 Milliarden Kubikmetern Erdgas kam früher von dort – wurde Schnabel von der Politik aber nicht gehört. Noch kurz vor dem Ukraine-Krieg Ende 2021 war unklar, ob ein fester LNG-Importterminal in Brunsbüttel würde realisiert werden können.
Schnabel wirbt um eine intensive Kooperation der Unterelbe-Häfen bei der künftigen Energieversorgung mit LNG, aber auch mit „grünem“ Wasserstoff und dessen Ableitungen. Und er drängt auf eine deutlich bessere Bahnanbindung des Hafens Brunsbüttel und auf eine Aufwertung der Energie-Infrastruktur in den anderen deutschen Seehäfen.
„Wir brauchen in den kommenden Jahren alles, was wir an LNG und später an grünem Wasserstoff bekommen können“, sagte Schnabel WELT. „Deshalb müssen auch die Häfen schnell und umfassend ertüchtigt werden, um die künftige Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“