Wer sich einen „Bentayga“ für umgerechnet 182.000 Euro leisten kann, legt für extravagante Wünsche gerne noch einmal ein paar 10.000 Euro obendrauf. So bestellen 92 Prozent der Käufer Autos mit handgenähten Sitzen. Nicht das einzige überraschende Feature.
Der britische Nobelhersteller Bentley Motors hat nie so viel Geld verdient wie 2022. Das verdankt er vor allem dem ausgeprägten Wunsch seiner Kundschaft nach individuellen Sonderausstattungen. Zu den beliebtesten Features gehören handgenähte Sitze, auf Wunsch auch mit Seidenfaden, in einer Kontrastfarbe oder mit Muster bestickt.
Mehr als 10.000 Euro schlägt ein solches Extra auf den Fahrzeugpreis. Das Management des Unternehmens, das zum VW-Konzern gehört, war davon ausgegangen, dass rund ein Viertel der Fahrer bei den Sitzen zugreifen könnten. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr 92 Prozent aller Bentleys mit diesem speziellen Luxus ausgeliefert.
Nicht anders sieht es aus mit einem Armaturenbrett, dass sich umschalten lässt zwischen einer klassischen Ausführung in Holz zu einer Version in moderner, digitaler Anmutung. Dieser Wunsch erhöht den Kaufpreis um weitere gut 10.000 Euro. Auch das Wechselbrett wird bei 90 Prozent der Bestellungen eingetragen.
„Die Kunden investieren mehr in die Personalisierung und Individualisierung ihrer Autos als wir das in der Vergangenheit gesehen haben“, sagte Vorstandschef Adrian Hallmark. Aufgrund der Inflation habe das Unternehmen zwar die Preise etwas angehoben. Der größte Teil des Umsatzwachstums sei aber auf Extra-Ausstattungen zurückzuführen.
Im vergangenen Jahr verkaufte das Unternehmen 15.174 Fahrzeuge, ein Plus von vier Prozent. Der Umsatz legte wegen des beschriebenen, kostspieligen Trends sehr viel deutlicher zu, um ein Fünftel auf umgerechnet 3,38 Milliarden Euro. Unter dem Strich stand ein Gewinn von 708 Millionen Euro, nach 389 Millionen Euro im Vorjahr.
Bestverkauftes Modell war mit 42 Prozent der Fahrzeuge der „Bentayga“, der ab einem Listenpreis von 160.000 Pfund oder 182.350 Euro zu haben ist. Die Fahrzeuge laufen hauptsächlich in Crewe, einer Stadt zwischen Birmingham und Manchester, vom Band, ein kleiner Teil auch im Volkswagen-Werk Dresden.
Bentley wird elektrisch
Seit Jahren ächzt die britische Autobranche unter rückläufigen Investitionen und schrumpfender Produktion. Das Land, das eine lange Tradition in der Fahrzeugherstellung und im Motorsport hat, exportiert gut 80 Prozent der gefertigten Autos, vor allem in die Staaten der Europäischen Union.
Zuletzt hat es aber an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Nicht zuletzt trägt der Brexit dazu bei und der damit verbundene administrative Aufwand. Hohe Energiekosten und eine nach wie vor nur schleppend anlaufende Produktion von Batterien führen Branchenvertreter als weitere Gründe an. Hinzu kamen zuletzt steigende Lebenshaltungskosten.
Die Edelhersteller im obersten Preissegment, die Kunden in aller Welt bedienen, betrifft diese Entwicklung allerdings kaum. Im Spezial-, Luxus- und Rennsegment haben im vergangenen Jahr Hersteller wie Aston Martin, Lotus, McLaren und Morgan 32.575 Fahrzeuge gefertigt. Gesamtwert: umgerechnet 4,2 Milliarden Euro.
Bentley legte in den vergangenen Jahren unter der Führung von Hallmark eine beeindruckende Kehrtwende hin. Als er 2018 den Vorstandsvorsitz antrat, machte das Unternehmen einen Verlust von 288 Millionen Euro. Als nächsten Schritt plant der Autobauer die vollständige Elektrifizierung seiner Fahrzeugpalette.
„Beyond 100“ heißt das drei Milliarden Euro schwere Programm, mit dem die Umstellung bis 2030 gelingen soll. Als ersten Schritt lässt Bentley im April 2024 den 12-Zylinder W12 auslaufen. Ab 2025 will der Konzern jedes Jahr ein elektrisches Modell vorstellen. Fünf Jahre später soll die Umstellung abgeschlossen sein.
Hallmark ist überzeugt, dass auch im Luxus-Segment immer mehr Käufer zum elektrischen Antrieb greifen. „In der letzten Umfrage, die wir 2021 gemacht haben, haben 62 Prozent gesagt, dass sie sich in den kommenden fünf Jahren für einen elektrischen Bentley entscheiden würden.“ Vier Jahre zuvor waren es nur 14 Prozent.
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