Eigentlich hatten die Wirtschaftsweisen für dieses Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts vorhergesagt. Durch die stabilisierte Energieversorgungslage und gesunkene Großhandelspreise soll sich die Lage jetzt allerdings etwas gebessert haben.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) erwartet ein Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,2 Prozent im Jahr 2023 und von 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Damit hoben die fünf Wirtschaftsweisen ihre Prognose für dieses Jahr an, nachdem sie im vergangenen November noch einen Rückgang des BIP um 0,2 Prozent vorhergesagt hatten.
„Der kurzfristige Ausblick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland hat sich gegenüber dem Herbst 2022 leicht verbessert, die Lage bleibt aber angespannt“, erklärten sie. „Die hohe Inflation stellt in diesem Jahr weiterhin eine große Belastung für die Konjunktur dar.“
Ausdrücklich betonten die fünf Weisen die Stabilität des Finanzmarktes. Die Unsicherheit an den Finanzmärkten sei zwar durch die Schließung der Silicon Valley Bank und die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zuletzt gestiegen. „Anders als in der globalen Finanzkrise basieren die Schwierigkeiten einzelner Banken aber nicht auf weitgehend wertlosen Finanzprodukten“, betonten sie. Zudem seien derzeit der Interbankenmarkt und die Kreditversorgung der Realwirtschaft nicht gestört. Die Finanzmarktstabilität dürfte daher nach Einschätzung des Sachverständigenrates „aktuell nicht gefährdet sein“.
Als Gründe für die leichte Aufhellung der Konjunkturaussichten nannten die Wirtschaftsweisen eine vorerst stabilisierte Energieversorgungslage und gesunkene Großhandelspreise. Die weiterhin erhöhte Inflation sorge jedoch für Kaufkraftverluste und dämpfe die Konsumnachfrage. Zudem verschlechterten die steigenden Zinsen die Finanzierungsbedingungen und führten zu einem Rückgang der Investitionen.
Inflation soll erst 2024 deutlich sinken
Die Inflation dürfte nach der Prognose im Jahresverlauf zwar rückläufig, aber noch deutlich erhöht bleiben und für 2023 durchschnittlich 6,6 Prozent betragen. Für das kommende Jahr erwartet der Sachverständigenrat einen Rückgang auf 3,0 Prozent.
„Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust, die schlechteren Finanzierungsbedingungen und die sich nur langsam erholende Auslandsnachfrage verhindern einen stärkeren Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr“, sagte die SVR-Vorsitzende Monika Schnitzer. Nach Einschätzung des Sachverständigenrates hat die Inflation ihren Hochpunkt vom Herbst 2022 überschritten. Sie dürfte aber nur langsam zurückgehen. „Die Inflation kommt zunehmend in der Breite der Wirtschaft an“, erklärte SVR-Mitglied Martin Werding. „Die gestiegenen Erzeugerpreise und die zu erwartenden Lohnsteigerungen dürften die Verbraucherpreisinflation noch bis ins kommende Jahr hinein hochhalten.“
Die Europäische Zentralbank (EZB) habe angesichts der hohen Inflation begonnen, ihre Anleihebestände zu reduzieren, und die Leitzinsen deutlich angehoben. Dies verschlechtere die Finanzierungsbedingungen für Haushalte und Unternehmen, was sowohl die Konsumnachfrage als auch die Investitionen dämpfe. Die straffere Geldpolitik dürfte sich laut SVR erst im Verlauf des Jahres merklich auf die Inflation auswirken und deren Entwicklung spürbar bremsen. „Die Inflation ist noch weit vom Ziel der EZB von 2 Prozent entfernt, daher dürften weitere Zinserhöhungen in diesem Jahr erforderlich sein“, sagte SVR-Mitglied Ulrike Malmendier. Die hohe Unsicherheit an den Finanzmärkten erschwere allerdings die Inflationsbekämpfung durch die Zentralbanken.