Twitternutzer, die sich jetzt wegen Musk oder Trump verabschieden, begehen einen Fehler. Sie müssen lernen, dass Meinungsfreiheit heißt, andere Meinungen auszuhalten. Es gibt allerdings Grenzen – an deren Einhaltung muss sich Elon Musk nun messen lassen.
Man kann Elon Musk viel Versagen vorwerfen, wenn man von außen auf sein Wirken bei Twitter blickt. Seit seinem Kauf herrscht Chaos in dem Konzern, zig Führungskräfte und Mitarbeiter wurden entlassen oder haben hingeworfen. Und auch für seine Nutzer ist der Kurznachrichtendienst chaotischer geworden, weshalb auch sie das Netzwerk in Scharen fluchtartig verlassen.
Doch Musk macht nicht alles falsch bei Twitter. Dass der Multimilliardär auf der Plattform die Konten von Ex-US-Präsident Donald Trump und zuletzt der (noch kontroverseren) republikanischen Kongressabgeordneten Marjorie Taylor Greene wieder freigegeben hat, war ein richtiger Schritt.
Ja, Trump fiel und fällt immer wieder mit offenkundigen Falschaussagen und Hatespeech auf – auf öffentlichen Bühnen wie auf Twitter. Und ja, Greene verbreitete und verbreitet Verschwörungstheorien und schreckt dabei auch vor antisemitischen Aussagen nicht zurück.
Wenn so etwas auf Twitter passiert, ist es richtig, solche Beiträge zu löschen, und das gute Recht der Plattform, entsprechende Nutzer temporär zu sperren. Wenn gegen Gesetze verstoßen wird, sollte es darüber erst gar keine Debatte geben.
Einen ehemaligen US-Präsidenten oder eine Abgeordnete dauerhaft aus einem sozialen Netzwerk auszuschließen, ist allerdings per se keine gute Idee. Ihre Meinungen halten schließlich demokratische Mehrheiten für legitim, so schmerzhaft das auch sein mag. Es sollte jedenfalls nicht privatwirtschaftlichen Konzernen obliegen, ihre Standpunkte komplett auszuklammern.
Twitternutzer, die sich jetzt wegen Musk, Trump und Greene von der Plattform verabschieden, müssen wieder lernen, dass Meinungsfreiheit vor allem eins heißt: Andere Meinungen auszuhalten – seien sie noch so krude, gar nicht oder sogar falsch begründet.
In solchen Fällen muss die Devise lauten: gegenhalten. Aber eben nicht den Mund verbieten, auch nicht auf Twitter. Das wäre nur Futter für zumeist abwegige „Cancel Culture“-Thesen. Dass Musk diesen mit radikaler Meinungsfreiheit entgegentritt, ist zu begrüßen. Was mit dem Gesetz kollidiert, muss natürlich trotzdem weiter von Twitter verschwinden. Auch daran wird Musk sich messen lassen müssen.
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