Immer wieder kritisiert Manuel Gräfe die Leistungen deutscher Schiedsrichter. Doch seine Einschätzungen verlieren an Glaubwürdigkeit. Nun rückt er selbst in den Fokus.
Einen passenderen Experten hätte das ZDF wohl nicht finden können: Manuel Gräfe, einer der wohl besten Schiedsrichter der Bundesliga-Geschichte, kommentiert seit 2021 regelmäßig Leistungen seiner Kollegen. Und dabei ist der Berliner nicht zimperlich. Das Tischtuch zwischen ihm und der Spitze der deutschen Schiedsrichter ist zerschnitten. Darum, was die aktiven Unparteiischen von ihm halten, schert Gräfe sich merklich nicht.
Doch inzwischen entstehen immer mehr Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Je mehr Einschätzungen Gräfes über den Fernsehschirm flimmern oder von ihm auf Twitter geteilt werden, desto mehr festigt sich der Eindruck: Hier spricht vielleicht kein unabhängiger Experte, sondern das Publikum verfolgt einen Kleinkrieg, ausgetragen zwischen Gräfe und der Schiedsrichter-Kommission des DFB.
Gräfe bringt Schiedsrichter bei Bayern-Spiel zum Platzen
Aytekin erhielt letztlich viel Lob für seine Leistung. Gräfe, so scheint es aber, hat immer etwas zu meckern. Das stört auch andere Bundesliga-Schiedsrichter, Dr. Felix Brych und Patrick Ittrich etwa stärkten Aytekin den Rücken.
Er eckt immer wieder an
Dass Gräfe auf den DFB nicht gut zu sprechen ist, ist nachvollziehbar. 2005 hatte er maßgeblich daran mitgewirkt, den Wettskandal um Schiedsrichter Robert Hoyzer aufzudecken. Der darin verwickelte Felix Zwayer stieg dennoch später zum Bundesliga-Schiedsrichter auf, sehr zum Missfallen Gräfes. 2017 kritisierte er die damalige Führung der deutschen Schiedsrichter massiv in einem Interview, bekam dafür laut eigener Aussage einen Maulkorb verpasst.
Trotz hohen Ansehens bei Fans und Spielern leitete Gräfe nur wenige Länder- und Europapokalspiele, als Videoassistent durfte er ebenfalls nicht mehr zum Einsatz kommen. Auch sein Abgang aus dem Profibereich war von diversen Nebengeräuschen begleitet. Der DFB beharrte auf der Altersgrenze von 47 Jahren und zwang ihn zum Aufhören – trotz großer Unterstützung für Gräfe. Der klagte dagegen, bekam Recht und Schadenersatz zugesprochen. Pfeifen darf er dennoch nicht mehr.
Ein kritischer Blick auf Deutschlands Schiedsrichter ist sicher nötig. Die Fehlerquote in der Bundesliga ist erschreckend hoch, obwohl es seit einigen Jahren Hilfe vom Videobeweis gibt. Wöchentlich diskutieren Akteure über Handspiele, ständige Regeländerungen und neue Auslegungen überfordern offenbar auch die Spitzen-Schiedsrichter.
Schiedsrichter-Experte des ZDF selbst in der Kritik
Nur: Polemik gibt es im Fußball genug, vor allem, wenn über Schiedsrichter diskutiert wird. Es sei an Ausraster wie von Julian Nagelsmann in Mönchengladbach oder Bo Svensson gegen Schalke erinnert, die Schiedsrichter allzu einfach zu Sündenböcken machten. Konstruktiv ist das nicht. Und Interesse daran, den Fußball besser zu machen, zeigt es ebenfalls nicht – sondern dient nur dazu, von eigenen Fehlern abzulenken. Wer den Finger in die Wunde legen könnte, statt nur Salz hineinzustreuen, ist Gräfe.
Doch der vergaloppiert sich allzu häufig, thematisierte etwa das Alter von Daniel Schlager nach dessen Ansetzung im DFB-Pokalhalbfinale oder kritisiert Funktionäre wie den Projektleiter der Video-Schiedsrichter, Jochen Drees, für seine Urlaubsplanung. Das wäre zu verzeihen, denn meist hat die Kritik Gräfes an Schiedsrichterleistungen trotz allem Hand und Fuß. Doch er macht sich zudem auf Nebenschauplätzen angreifbar.