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Skispringen.: Trotz großer Bedenken erfüllen sich Althaus und Co. Traum vom Fliegen

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Paula von Lamberg wäre wohl stolz, würde sie noch miterleben, was sich da gerade in dem Sport tut, für den sie einst Pionierarbeit leistete. 1911 war das, im Foto festgehalten auf einer historischen Postkarte. Im langen Rock und mit aufrechter Haltung scheint sie förmlich durch das Alpenpanorama zu schweben. Dass sie nach 22 Metern schon wieder landete, ist weder zu erahnen, noch für die Nachbetrachtung relevant. Ihr Satz am „Großen Kitzbüheler Sprunghügel“ gilt trotzdem als Meilenstein des Frauen-Skispringens, obwohl von Lamberg keineswegs die erste Dame war, die sich mit zwei Skiern eine Schanze hinunterwagte.

Der Sprung brachte ihr aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum österreichischen Adel den Spitznamen „die fliegende Gräfin“ ein. Wobei „hüpfende Gräfin“ eigentlich besser gepasst hätte, vergleicht man die damals gemessene Weite, mit deren, die an diesem Wochenende aufgestellt werden. Die fliegenden Königinnen der Gegenwart heißen Eva Pinkelnig, Ema Klinec, Selina Freitag oder Katharina Althaus. 112 Jahre nach von Lamberg werden sie das Frauen-Skispringen in neue Dimensionen heben, beim ersten Skifliegen der Geschichte.

Anders als in den Annalen ihres jungen Sports, in denen sich die Damen meist hinter den Männern anstellen und sich in kleinen Sprüngen zu neuen Weiten kämpfen mussten, beginnen sie diesmal direkt ganz groß. Es geht sofort auf den ehrfürchtigen „Monsterbakken“ im norwegischen Vikersund, gemeinsam mit der Anlage im slowenischen Planica die größte Schanze der Welt. Hier stellte Stefan Kraft vor sechs Jahren den Weltrekord von 253,5 Metern auf. Die Frauen wollen nun ähnliche Weiten erzielen, wenn sie am Sonntag zum Abschluss der Raw-Air-Tour, dem skandinavischen Pendant zur Vierschanzentournee, gastieren.

Für manche wichtiger als die WM

Welche Bedeutung diesem Wettbewerb zukommt, zeigen die Aussagen der Springerinnen. „Das ist das größte Ziel in diesem Jahr. Nicht die WM“, sagte Norwegens Top-Springerin Maren Lundby der heimischen Zeitung „Verdens Gang“. Für Deutschlands beste Athletin Althaus ist es gar die Erfüllung eines Kindheitstraums. Drei solcher hatte die Oberstdorferin formuliert. Nummer eins, die Teilnahme an Olympischen Spielen, erfüllte sich schon 2014 bei der Erstaufführung des Frauen-Springens in Sotschi. Nummer zwei, die Teilnahme an einer mit den Männern gleichwertigen Vierschanzentournee, dessen Einführung eigentlich längst Konsens ist, aber vor allem noch an der Zöger-Taktik des österreichischen Verbandes scheitert, ist noch in der Schwebe. Vor der Saison 2024/25 wird das nichts. Nummer drei aber, das Skifliegen, das seit den 1970er-Jahren in WM und Weltcup den Männern vorbehalten war, steht unmittelbar bevor.

„Das konnte ich schon als Kind in Oberstdorf miterleben. Es ist einfach noch mal faszinierender, wenn man weiter als 200 Meter fliegen kann“, sagt Althaus zu WELT. Es ist der Traum vom Fliegen, der Rausch des Gleitens, der diese verrückte Spezies an Adrenalinjunkies eint. Markus Eisenbichler hatte die acht Sekunden in der Luft einst als „fast so gut wie Sex“ bezeichnet.

Es ist die letzte Herausforderung im Leben eines Skispringers. Und der Kreis der Springerinnen, die sich dieser stellen darf, ist bewusst klein gehalten. Neben Althaus werden die 14 weiteren Athletinnen starten, die in der Gesamtwertung der Raw-Air-Tour nach acht der insgesamt neun Einzelprüfungen vorn liegen. Das Fliegen, es bleibt vorerst der absoluten Elite vorbehalten. „Es ist die richtige Entscheidung. Gerade jetzt am Anfang bei der Premiere. Bei der Raw-Air-Tour springen wir ausschließlich auf Großschanzen – dadurch weiß man bei den Top 15, dass sie eigentlich ohne Probleme skifliegen können“, sagt Althaus, die nach ihrem Sieg in Lillehammer auf Rang zwei der Raw-Air-Wertung liegt.

Tandes Sturz als abschreckendes Beispiel

Die Gefahr, dass durch weniger erfahrene Springerinnen etwas schiefläuft, soll so möglichst klein gehalten werden. Schließlich trifft es Althaus‘ Analyse, dass „die Bewegung keine andere ist“ als bei Sprüngen von Normal- und Großschanzen zwar zu. Die Geschwindigkeiten – etwa 110 km/h beim Absprung und 130 km/h in der Luft – sind aber andere. Und damit auch die Gefahr, dass etwaige Stürze böse ausgehen. Der Norweger Daniel André Tande dient etwa als abschreckendes Beispiel, der 2021 nach einem Sturz in Planica ins künstliche Koma versetzt werden musste.

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Verbieten lassen wollen es sich die Frauen – der möglichen Gefahr bewusst – aber nicht. Zu lange hatten sie wieder einmal warten müssen. Noch 2021 hatte sich der internationale Skiverband FIS in seinem entscheidenden Komitee mit 9:7 gegen die Einführung des Frauen-Skifliegens entschieden. Erst im Folgejahr, und nach dem Unverständnis vieler Sportlerinnen, votierten die Entscheider mit 14:0 für die Einführung. Sie dürfen fliegen, den Zweiflern zum Trotz.

Zu ihnen gehört etwa Toni Innauer, die österreichische Springer-Legende. Der ehemalige ZDF-Experte richtete noch im Juli des vergangenen Jahres einen öffentlichen Brief an die FIS. Darin beklagte er, dass „physikalisch-biomechanische Zusammenhänge und Unterschiede und die dadurch drohende Gefahr fahrlässig negiert werden und schwerpunktmäßig eine Gleichstellungsdebatte“ entstehe. Frauen seien „aufgrund des geschlechtsspezifisch geringeren Muskelanteils am Gesamtkörpergewicht weniger widerstandsfähig“. Nun legte er nach, sprach vom „Worst Case, der im Laufe der Jahre passieren wird – mit 100-prozentiger Sicherheit.“

Argumente gegen skispringende Frauen? „Die Gebärmutter zerreißt“

Dabei liegt Widerstandsfähigkeit – wenn auch nicht auf Muskelebene – doch eigentlich in der Natur der Skispringerinnen, denn genügend Gegenwind mussten sie in der Vergangenheit durchbrechen. Ende der 1990er-Jahre noch, als der damalige FIS-Generalsekretär Gian-Franco Kasper als Argument gegen skispringende Frauen angebracht hatte, ihnen könnte es „bei der Landung die Gebärmutter zerreißen“. In Richtung der Winterspiele 2010 in Vancouver, als sie erfolglos versuchten ihre Teilnahme einzuklagen. Und nun eben beim zähen Werben fürs Skifliegen. „Ich freue mich riesig, dass es endlich so weit ist. Dass wir fliegen dürfen. Dass es uns endlich erlaubt wird“, sagt Althaus.

Während in anderen Wintersportdisziplinen, allen voran der Nordischen Kombination, Frauen immer noch um ihre Anerkennung kämpfen, haben es die Skispringerinnen durch ihre Beharrlichkeit mittlerweile weitestgehend geschafft „Man fühlt sich nicht mehr fehl am Platz. Wir gehören dazu. Ich freue mich, dass unsere Leistung mittlerweile wertgeschätzt wird“, sagt Althaus.

An die neueste Aufgabe in Vikersund geht die vierfache Medaillengewinnerin der Titelkämpfe von Planica nun mit der nötigen Mischung aus Vorfreude und Demut. „Ich werde bestimmt sehr nervös sein, wenn ich dort oben stehe, aber ich habe keine Angst. Respekt aber ganz sicher. Wenn ich Angst hätte, dürfte ich nicht fliegen“, sagt Althaus. Denn, wenn Aufwind der Freund des Skispringers ist, ist Furcht der natürliche Feind. Er zwingt die Athleten zu Fehlern. Und die gilt es beim Skifliegen tunlichst zu vermeiden.

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