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Fußball: DFL vor Investoreneinstieg – 60 Jahre später geht es um Milliarden

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Wie ein nicht abzuschüttelnder Begleiter kommt der Protest seit Wochen recht plakativ daher. „Die größte Gefahr für den Fußball ist keine Pandemie, sondern Eure Gier“. „Tod dem kranken System“. Oder wie am Samstagabend beim Spitzenspiel Bayern gegen Leipzig zu lesen: „DFL-Zukunftsstrategie: Ausverkauf an Investoren statt nachhaltiger Lösungen.“

Es sind Botschaften aus der Fußball-Fankurve, die die Ängste der Anhänger vor einer brisanten Abstimmung beschreiben.

Bundesweit machen sie bei den Spielen ihrer Klubs mobil gegen einen Plan der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Der sieht vor, dass ein Investor 12,5 Prozent für eine Laufzeit von 20 Jahren an der Medien-Vermarktung der Bundesliga erwirbt. Dies soll der Liga frisches Kapital von rund zwei Milliarden Euro einbringen, das zu 85 Prozent in zweckgebundene Investitionen auf Zukunftsfeldern sowie in die Stärkung der Stabilität der DFL fließen soll. Viele Fans befürchten unter anderem, dass ein Investor in der DFL den Spieltag weiter zersplittern könnte. Von Fremdbestimmung ist die Rede, von Einflussnahme, von einer Gefahr für den deutschen Profi-Fußball.

Es sind nicht die einzigen Störgeräusche, die auf die Protagonisten einprasseln. So hatten Dirk Zingler, Boss des 1. FC Union, und Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund und zugleich Aufsichtsratschef der DFL, schon Anfang April in einem gemeinsamen Interview mit WELT AM SONNTAG Versäumnisse in der Kommunikation bezüglich der Investorenpläne eingeräumt.

Zingler übte in dem Interview aber auch massive Kritik am Bundesliga-Lokalrivalen Hertha BSC, bei dem nach dem Abschied von Lars Windhorst das Unternehmen 777 Partners als neuer Investor eingestiegen ist. „Wir haben bei uns in Berlin leider das übelste Beispiel vor der Haustür, was Investoren im deutschen Fußball betrifft“, sagte Zingler: „Das macht das ganze Thema insofern kaputt, weil es zeigt, wie es eigentlich nicht laufen sollte. Fußball wird dort zur Handelsware.“ Herthas Partnerschaft mit Windhorst – er hatte 374 Millionen Euro investiert, die dann aber nicht für einen sportlichen Fortschritt sorgten – war nach gut drei Jahren voller Missverständnisse im Streit beendet worden. Am Samstag folgte der sportliche Nackenschlag: Herthas Abstieg in die Zweite Liga.

Abstimmung mit Brisanz

Ein Niedergang, der nicht gerade imagefördernd für die Abstimmung am Mittwoch ist. Denn in der Hauptstadt zeigte sich auf dramatische Art und Weise, wie ein Investor nicht agieren sollte. Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Flughafen in Frankfurt/M. soll ab 11.30 Uhr abgestimmt werden, ob Verhandlungen mit einem Interessenten aufgenommen werden. Nur bei einer Zweidrittelmehrheit der 36 Profiklubs der Ersten und Zweiten Liga kann der Prozess fortgesetzt werden.

Bei einer Umfrage des „Kicker“ unter den Anhängern aller Vereine vom 9. Mai gab es ein eindeutiges Votum: Demnach sind vereinsübergreifend 67,65 Prozent gegen den Einstieg eines Investors, nur 24,47 Prozent dafür. Einzig die Anhänger von RB Leipzig, also jenem Klub, der seinen sportlichen Aufstieg im deutschen Fußball den millionenschweren Zuwendungen eines Brausekonzerns zu verdanken hat, stimmten in der Mehrheit für den Einstieg eines Investors ab – 53,42 Prozent.

Bei Mitgliederversammlung soll nun die Entscheidung darüber fallen, ob es künftig mehr Geld geben wird oder nicht. Für den Einstieg eines Investors will die DFL eigens eine neue Vermarktungstochter für den Verkauf der nationalen und internationalen TV-Rechte gründen – die MediaCo GmbH und Co KGaa. Die MediaCo soll eine dreiköpfige Führung bekommen. 12,5 Prozent der Erlöse der MediaCo sollen, so der Plan, über 20 Jahre an einen Investor verkauft werden für mindestens zwei Milliarden Euro. Der Investor, das machten nicht wenige Vereinschefs bereits in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich, soll keinerlei Mitspracherecht bekommen. So sagte Union-Boss Zingler, dass man genau wisse, was man nicht wolle: eine Mitbestimmung der Investoren. „Es wird niemanden geben, der uns vorschreibt, wann wir spielen.“

CVC, Advent und Blackstone haben Angebote abgegeben

Die Erstangebote von drei Investoren (ursprünglich waren es sechs) werden den Klubvertretern heute präsentiert: von CVC (schon Investor der spanischen La Liga und der französischen Lique 1), Advent und Blackstone. Bei der Abstimmung wird eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt, damit das DFL-Präsidium die Angebote endverhandeln kann. Gibt es Grünes Licht, wird auf zwei Angebote reduziert. Die endgültige Entscheidung der Klubs soll im Juli gefällt werden. Die DFL erhofft sich zwei Milliarden Euro aus dem Deal. Nach Informationen von WELT aber liegen alle Angebote der vier Kandidaten unter dieser Wunschsumme – zwischen 1,75 bis 1,85 Milliarden Euro.

Die Summe, die die DFL anstrebt, soll auf drei Töpfe verteilt werden.

Topf eins (40 Prozent): Digitalisierung und Internationalisierung der DFL. Das Geld verbleibt bei der DFL. Eine Online-Streamingplattform für die Verbreitung von Inhalten soll aufgebaut und damit vor allem auch Fans im Ausland angesprochen werden, besonders jüngere.

Topf zwei (45 Prozent): Investition in die Infrastruktur der Klubs. Die Vereine sollen Geld bekommen und damit beispielsweise in ihre Stadien, Nachwuchsleistungszentren oder Geschäftsstellen, aber auch in Digitalisierung investieren.

Topf drei (15 Prozent): Hier sollen die Klubs mit dem Geld zur Steigerung der Attraktivität in neue Spieler investieren können oder Schulden abbauen. Von 300 Millionen Euro für die 36 Klubs ist die Rede – verteilt auf fünf Jahre. Das würde pro Bundesligist nur 2,7 Millionen Euro pro Saison machen, pro Zweitligist 666.000 Euro. Damit würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit aber nicht signifikant verbessert werden, genau darum aber geht es vor allem auch dem FC Bayern.

Nach Überzeugung von Oliver Leki, Finanzvorstand des SC Freiburg und bis Ende Juni mit Axel Hellmann von Eintracht Frankfurt interimsmäßig Geschäftsführer der DFL, ist der deutsche Fußball für die Zukunftssicherung auf Geld von Investoren angewiesen. „Es gibt einen Investitionsbedarf in das Geschäftsmodell der Liga, in die Zentralvermarktung“, sagte der 50-Jährige erst kürzlich dem TV-Sender BILD. Die Zentralvermarktung sei das Herzstück für das Funktionieren des Verbandes der 36 Klubs aus der ersten und zweiten Bundesliga. „Hier verändert sich das Wettbewerbsumfeld.“

Daher wäre es fahrlässig, wenn sich die Gremien nicht zumindest sehr, sehr ausgewogen und differenziert mit einer Frage beschäftigten, wie man sich aufstelle, damit man zukunftsgerichtet ins nächste Jahrzehnt gehen könne. „Die Akteure, die 36 Klubs, haben überwiegend erkannt, dass ein weiter so schwierig ist, zumindest ausgesprochen riskant wäre“, sagte Leki. Man beuge sich damit Notwendigkeiten. „Das Thema ist ja auch keine Herzensangelegenheit“, erklärte Leki, der Verständnis für die Fan-Proteste hat – und daran appelliert, das Thema noch einmal sehr breit zu kommunizieren und auch zu erklären, was tatsächlich dahinterstecke. „Vieles ist noch nicht bekannt. Das kann man auch keinem verübeln, wenn man Dinge vielleicht nicht richtig durchdringt und versteht, dass man sie auch erst mal per se ablehnt“, sagte er.

Bei einem Scheitern des Investoren-Modells sieht Leki den Zusammenschluss der 36 Erst- und Zweitligisten in der DFL bedroht. Das Ausscheren der Bundesligisten würde dann zumindest diskutiert werden. „Ich bin ein großer Fan der 36. Ich werde mich sehr dafür einsetzen, dies nicht zu opfern“, äußerte Leki: „Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Debatte geführt wird.“

Auseinandersetzen müssen sich die DFL-Verantwortlichen auch damit, welche Rechte dem Investor eingeräumt werden. Wie die ARD-Sportschau berichtet, gehe aus einem an die Klubs gerichteten Dokument hervor, dass der neue Geldgeber ein Vetorecht bei „besonders wichtigen Geschäften“ erhalten solle. Was damit genau gemeint sei, ließ die DFL in einer entsprechenden ARD-Anfrage unbeantwortet.

Dass der angestrebte Deal platzen könnte, ist also durchaus im Bereich des Möglichen. Denn viele Fragen scheinen noch offen zu sein. So meldete sich etwa der Zweitligaklub FC St. Pauli schon vergangene Woche mit dem Wunsch nach mehr Entscheidungszeit. Vereinspräsident und DFL-Präsidiumsmitglied Oke Göttlich betonte, dass er sich nicht prinzipiell gegen das Vorhaben stelle. Er könne aber auf Basis der bislang vorliegenden Informationen nicht grundsätzlich zustimmen.

Sogar als Mitglied des DFL-Präsidiums könne er gegenwärtig nicht sagen, wie die Strategie für die kommenden Jahre im aktuellen Prozess eigentlich aussehe. „Eine Strategie steht vor dem Prozess und nicht ein Prozess vor einer Strategie“, sagte der 47-Jährige. „Als Präsident des FC St. Pauli kann ich einem Weg, der versucht, nur mit Geld Herausforderungen zu lösen und bei dem zentrale Punkte wie ein Business-Plan, Investitionssumme, Governance, Regulatorik oder ein Verteilerschlüssel nicht final vorliegen oder diskutiert sind, schon aus Sorgfaltsaspekten nicht zustimmen.“ Daher wolle er einen Antrag stellen, die wegweisende Abstimmung mindestens bis zur Mitgliedersammlung im August zu verschieben.

Das allerdings würde höchstwahrscheinlich das Ende jeglicher Investorenmodelle bedeuten. Zum einen wären die potenziellen Interessenten vermutlich nicht bereit, so lange zu warten. Zum anderen müsste sich bei der DFL dann erst eine neue Geschäftsführung einarbeiten, da Leki und Hellmann zum 30. Juni ihre interimsmäßig geführten Ämter aufgeben. Die Versammlung am Mittwoch wird also hochbrisant – zumal für die Annahme von Göttlichs Antrag eine einfache Mehrheit unter den Profivereinen ausreicht.

Andere Protagonisten der Liga sehen die Pläne hingegen nicht so kritisch: Eintracht Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche etwa rechnet mit Zustimmung zu Verhandlungen über den Einstieg eines Investors. Es wäre „ein wichtiges Zeichen, dass der Prozess weitergehen kann. Ich bin guter Dinge, dass es so passiert“, sagte der 42-Jährige. „Wir haben sehr viele Herausforderungen.“ Das Nutzungsverhalten der Medien habe sich verändert und werde sich weiter verändern, so Krösche: „Von daher haben wir große Herausforderungen, was die Wettbewerbsfähigkeit angeht in Europa.“

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