Dem FC Bayern droht die erste titellose Spielzeit seit elf Jahren. Selbst ein Sieg beim 1. FC Köln am letzten Spieltag kann zu wenig sein. Vor dem Spiel übt Thomas Tuchel Selbstkritik und richtet eine klare Forderung an die Spieler.
Thomas Tuchel redete gar nicht erst drumherum. „Es wird keine Saison mehr sein, die uns zufriedenstellt, von der Punkteausbeute und auch von der Spielweise“, sagte der Trainer des FC Bayern Freitagmittag auf einer Pressekonferenz in der Klubzentrale an der Säbener Straße.
Anschließend ging es zum Abschlusstraining vor dem letzten Saisonspiel in der Bundesliga beim 1. FC Köln am Samstag (15.30 Uhr, Sky). Gewinnt Borussia Dortmund die zeitgleich ausgetragene Partie beim 1. FSV Mainz 05, beenden die Bayern erstmals seit elf Jahren eine Spielzeit ohne Titel. „Wir sind nicht zufrieden mit den Ergebnissen. Es ist unsere Aufgabe, dominanter, schneller zu spielen und flüssiger zu kombinieren, fehlerfreier zu spielen“, so Tuchel mit Blick auf die Ziele für die Zukunft.
Wenngleich es keine gute Saison mehr werden kann „müssen wir bis zum Ende laufen, völlig unabhängig davon, wie es auf den anderen Plätzen steht. Wenn man für den FC Bayern arbeitet, muss man immer alles geben, bis zum Schlusspfiff“, betonte der Trainer. „Leider brauchen wir nicht mehr auf das andere Spiel gucken. Für uns ist es sonnenklar: Wir müssen gewinnen, dann können wir schauen. Wir brauchen Schützenhilfe.“
Tuchel sagte zudem: „Es ist extrem schwierig, in Köln Tore zu schießen und zu gewinnen. Wir brauchen den kompletten Fokus und kleine Erfolgserlebnisse. Wir brauchen unsere Qualität von der ersten Sekunde an, können uns keine Konzentrationsmängel erlauben. Ich erwarte ein emotionales Stadion und einen emotionalen Gegner, der wahnsinnig viel läuft, der extrem hoch presst.“
Tuchel: „Es kann alles passieren“
WELT fragte Tuchel: Hat er Hoffnung, dass Dortmund der Situation, endlich wieder einen Meistertitel gewinnen zu können, nicht gewappnet ist und den Vorsprung in der Tabelle noch verspielt? Die Antwort des 49-Jährigen: „Es kann alles passieren, in jedem Spiel. Es muss nur eine kleine Unaufmerksamkeit geben. Von mir gibt es auch keine Nachrichten an den BVB. Wir haben genug für uns zu tun. Wir haben oft genug gepatzt, um in dieser Lage zu sein, das ist unsere Verantwortung.“
Im Fall eines Sieges der Mainzer wird es von den Bayern laut Tuchel aber kein Dankesgeschenk geben. „Das Geschenk haben wir abgeliefert“, sagte der Trainer und spielte auf das 1:3 der Bayern im Ligaspiel in Mainz Anfang Mai an.
Sollte es eine titellose Saison werden – inwiefern fühlt er sich dann dafür verantwortlich? Tuchel übernahm die Mannschaft erst Ende März von seinem freigestellten Vorgänger Julian Nagelsmann. Tuchel antwortete: „Wenn du an der Seitenlinie bist, bist du vollverantwortlich. Sobald ich unterschreibe und im Training bin, bin ich verantwortlich.“
Die Spieler seien bereit, in Köln noch mal alles zu geben. Für die Zukunft hat Tuchel sich ein klares Ziel gesetzt: „Die Säbener Straße muss der Ruhepol für die Spieler sein. Es muss eine Arbeitsatmosphäre herrschen, wo jeder gern herkommt. Eine produktive Ruhe. Egal, was in deinem Privatleben, bei der Nationalmannschaft oder sonst wo passiert. Wo jeder weiß: Hier werde ich beschützt, gefordert und gefördert.“
Dienstag entscheidet sich Kahns Zukunft
Heißt: Diese Saison war es auch aus Sicht von Tuchel im Klub viel zu unruhig. Dienstag trifft sich der Aufsichtsrat des FC Bayern im Münchner Stadion, das mächtige Gremium um den Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß wird auch über die Zukunft von Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic entscheiden.
„Die beiden sind meine maßgeblichen Ansprechpartner“, sagte Tuchel Freitagmittag. „Wir sind in der Planung, die Saison gibt es nicht her, sehr weit nach vorn zu planen. Die Ausschläge in unseren Leistungen waren zu groß. Es hat auch meine Energie in Anspruch genommen, im Hier und Jetzt zu arbeiten. Wir versuchen, die besten Entscheidungen zu treffen im Sinne des Vereins.“
Auf die Sitzung des Aufsichtsrats habe er „keinen Einfluss“, deswegen sei es für ihn das Beste, sich davon freizumachen. „Es macht wenig Sinn, sich den Kopf darüber zu zerbrechen.“