Wie gut ist eigentlich die Bundesliga? In diesem Jahr sind in der Champions League schon vier der fünf deutschen Teilnehmer rausgeflogen. Es ist das gleiche Bild seit Jahren: Der Erfolg des FC Bayern legt sich schützend über die Schwäche der anderen.
Was für eine Europapokal-Runde: Fast wäre es vergessen worden, aber in Neapel flogen am vergangenen Mittwoch nicht nur Restaurant-Tische und Pyrotechnik durch die Innenstadt, sondern im Diego-Maradona-Stadion wurde sogar Fußball gespielt. Im ganzen Wirbel um beschämende Gewaltexzesse wäre fast vergessen worden, dass Eintracht Frankfurt zum ersten Mal ein Achtelfinale in der Champions League gespielt hat – und bei dieser Premiere völlig chancenlos ausgeschieden ist. Gegen die SSC Neapel, immerhin Europas vielleicht formstärkste Mannschaft, verloren sie addiert nach Hin- und Rückspiel mit 0:5. Trainer Oliver Glasner räumte selbst ein: Die Erben Maradonas waren „einfach eine Nummer zu groß für uns“.
Damit war die Eintracht nicht allein. In jeder Saison ist es mittlerweile fast die gleiche Leier: Wie gut ist die Bundesliga wirklich im internationalen Vergleich? Und, wenig überraschend, ähnelt sich die Antwort genauso häufig: tatsächlich gar nicht so gut – mal abgesehen vom Frankfurter Europa-League-Titel im vergangenen Jahr. Von den acht deutschen Teams, die diese Saison international begonnen haben, sind nur noch zwei übrig – der FC Bayern in der Champions League und Bayer Leverkusen in der Europa League. Besonders im wichtigsten Wettbewerb, der Königsklasse, offenbart sich der Abstand zum europäischen Spitzenfußball.
Und hier gibt es in diesem Jahr keine positiven Überraschungen. Mit dem FC Bayern ist im Viertelfinale nur noch einer der fünf deutschen Starter übriggeblieben. Dabei haben die Münchner im Achtelfinale das Starensemble von Paris St. Germain ausgeschaltet. Das sich einmal mehr in entscheidenden Spielen doch nicht als die vielfach angepriesene Weltmannschaft entpuppt hatt.
Für Wolfsburg zu schlecht, für Neapel reicht’s
Im Rückspiel war der brasilianische Superstar Neymar verletzt, der menschgewordene Hochgeschwindigkeitszug Kylian Mbappé kam nicht in Fahrt und der argentinische Weltmeister Lionel Messi strahlte auch nicht mehr die Motivation aus, das Spiel im Alleingang drehen zu wollen. Zudem kämpfte das von Katar alimentierte PSG mit argen Verletzungssorgen. Am Ende bildeten das 17-jährige Talent El Chadaille Bitshiabu, der eigentliche Mittelfeldspieler Danilo und der 35-jährige Sergio Ramos die defensive Dreierkette. Mit Weltklasse hatte das nicht mehr viel zu tun.
Aber nur weil der FC Bayern dieses milliardenschwere Konstrukt überwunden hat, heißt das nicht, dass dadurch der deutsche Klubfußball in guter Form ist – im Gegenteil. Tatsächlich ist es schon zwölf Jahre her, dass ein Team länger im Wettbewerb verblieben ist als die Münchner. In der Saison 2010/11 war es (wirklich) Schalke 04 mit dem legendären Rául. Die Königsblauen scheiterten damals erst im Halbfinale gegen Manchester United, während für die Bayern schon im Achtelfinale gegen Inter Mailand Schluss war. Danach schaffte es noch Borussia Dortmund 2013 mit ins CL-Finale – verlor aber gegen den FC Bayern mit dem überragenden Arjen Robben.
Und in der Gegenwart? Das Faszinierende in dieser Saison ist, dass die deutschen Teilnehmer reihenweise an ehemaligen Bundesliga-Profis scheiterten. Frankfurt etwa kassierte drei der insgesamt fünf Treffer durch Victor Osimhen, der einst vom VfL Wolfsburg für nicht gut genug befunden wurde. Nun schwärmt der 24-Jährige davon, was er dort alles von Mario Gomez gelernt habe. Immerhin zum Ausbilden ist die Bundesliga noch gut genug.
Gegen Chelsea unterlegen
Besonders abgehängt sind die deutschen Teams im Vergleich mit der Premier League. Die Engländer schweben finanziell in schier unvorstellbaren Sphären. Was das bedeutet, bekam Rasenballsport Leipzig schmerzhaft zu spüren. Der deutsche Pokalsieger wurde von Manchester City im Rückspiel dermaßen vermöbelt, dass er sich nach dem Spiel nicht einmal groß über einen äußerst fragwürdigen Handelfmeter aufgeregt hat. Leipzig wurde innerhalb einer Halbzeit auseinandergenommen. Auf den entfesselten Ex-Dortmunder Erling Haaland hatten sie keine Antwort – deshalb auch sein Fünferpack. Trotz des 1:1-Remis im Hinspiel endete Citys Machtdemonstration in der Addition beider Spiele aus Leipziger Sicht mit einem 1:8.
Weiter geht es mit Borussia Dortmund. In der Bundesliga ist der BVB in diesem Kalenderjahr noch ungeschlagen und übt sogar Druck auf die Bayern aus. Doch ihre Erfolgswelle konnte die Borussia nicht in die Champions League hinüberretten. Auch hier zeigt sich der Nachteil gegenüber der Premier League. Selbst wenn der FC Chelsea sich derzeit wirklich nicht in guter Form befindet, ist sein Kader dank des aberwitzigen Transfergebarens immer noch deutlich schlagkräftiger als der des BVB. Wenn in Dortmund eine Stammkraft ausfällt, ist es ein strukturelles Problem; bei den Londonern sitzen reihenweise (teure) Top-Leute auf der Bank.
Das Achtelfinalhinspiel gewannen die Borussen zwar glücklich mit 1:0, dank eines brillanten Konters von Karim Adeyemi. Doch das Rückspiel verloren die Borussen gegen die formschwachen Londoner mit 0:2. Trotz Schiedsrichterpechs war das Ausscheiden am Ende verdient. Und den entscheidenden Treffer machte Kai Havertz – der vor nicht langer Zeit in der Bundesliga spielte. Dessen Ex-Klub Bayer Leverkusen scheiterte unterdessen schon in der CL-Gruppenphase. Die Werkself startete schlecht in die Saison, wechselte den Trainer und überzeugt mittlerweile immerhin als letzter deutscher Vertreter in der Europa League.
Ein grundlegendes Problem
Es ist das Ernüchterndste an dieser Europapokal-Saison: Den deutschen Teilnehmern – bis auf Leipzig und seinen kolossalen Einbruch – lässt sich so richtig kein großer Vorwurf machen. Niemand erwartet vom SC Freiburg oder Union Berlin, dass sie international alles an die Wand spielen. Für Christian Streichs Team war Juventus Turin einfach zu abgezockt. Und die Eisernen aus Berlin bekommen langsam ihre Leistungsgrenzen zu spüren. In der Liga haben sie keines der vergangenen vier Spiele gewonnen – der Erfolg und die Dreifachbelastung hinterlassen offenbar Spuren.
Zudem litten die meisten deutschen Vertreter auch noch unter strittigen Schiedsrichterentscheidungen. Hätte Leipzig in der ersten Hälfte nicht diesen seltsamen Handelfmeter gegen sich bekommen, wäre es gegen Man City vielleicht nicht so brachial eingebrochen, hätte zumindest nicht so hoch verloren. Auch der BVB hatte Pech im Rückspiel, als der VAR fälschlicherweise einen verschossenen Chelsea-Elfer wiederholen ließ. Das taugt alles nicht als Ausrede, lenkt ein Spiel aber schon in andere Bahnen.
Die Frage ist, was die Konsequenz des Ganzen ist. BVB-Berater Matthias Sammer sagte bei „Prime Video“, dass er bei den Bundesligisten Tugenden wie Athletik, Physis oder Siegermentalität vermisse. Daran könnte es liegen. Oder es sind eben die strukturellen Probleme: Seit Jahren werden die Gelder im europäischen Fußball ungleich verteilt.
Niemand kann der finanziell enteilten Premier League mehr folgen. Da stehen auch die Deutschen nicht allein da. Spanien kann sich praktisch nur noch auf Real Madrid verlassen, auch der FC Barcelona schwächelt international. Frankreich ist ohne PSG komplett abgehängt. Europameister Italien steht erstmals seit 17 Jahren wieder mit drei Teams im CL-Viertelfinale, dort muss sich erst zeigen, wie nachhaltig der Erfolg ist. Damit auch die Bundesliga wieder mithalten kann, muss sich im europäischen Fußball etwas grundlegend verändern.