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Bundesliga: Dieser Abstiegskampf ist nichts für schwache Nerven

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Als es in Sinsheim den ersten Strafstoß für Hoffenheim gab, war es nicht so, dass sich die Spieler der TSG vorbehaltlos freuten. Einige blickten zu Boden, nach dem Motto: Hoffentlich muss ich jetzt nicht schießen. Dann aber tippte sich Andrej Kramaric mit dem Zeigefinger an die Brust: Macht Euch keine Sorgen – ich regele das. Und so legte sich Kramaric, der in der laufenden Saison bereits mit zwei Strafstößen gescheitert war, den Ball auf den Punkt. Der kroatische Stürmer nahm Anlauf, irritierte Herthas Keeper Oliver Christensen mit einer Verzögerung – und traf zum 1:0.

Dreizehn Minuten später wiederholte sich das Spiel: Wieder zeigte Schiedsrichter Frank Willenborg auf den Punkt, wieder schritt Kramaric zur Tat. Er verwandelte auch den zweiten Strafstoß. Damit war das Spiel entschieden. Am Ende siegte die TSG Hoffenheim, die zuvor sieben Spiele in Folge verloren hatte, gegen eine desolate Berliner Hertha mit 3:1 (2:0). Da war er endlich, der lange herbeigesehnte Befreiungsschlag für die Kraichgauer.

Im Abstiegskampf trennt sich die Spreu vom Weizen. „Da brauchst du einen Asbestanzug, sonst überlebst du nicht“, hatte Jörg Berger mal gesagt. Der 2010 verstorbene Trainer kannte sich aus mit der toxischen Atmosphäre, die rund um eine Mannschaft herrscht, die ums Überleben kämpft – jene Mischung aus Verunsicherung und Druck, die dazu führen kann, dass sich auch gute Spieler plötzlich nichts mehr zutrauen.

„Jörg Berger hätte auch die Titanic gerettet“

Dreimal hatte Berger Teams aus fast aussichtslosen Situationen gerettet: 1989 Eintracht Frankfurt, 1992 den 1. FC Köln, 1994 Schalke und schließlich 1999 abermals die Frankfurter – in dem dramatischsten Finish der Bundesligageschichte überhaupt. Damals mussten am letzten Spieltag noch fünf Mannschaften den letzten Absteiger unter sich ausmachen. Dreimal stand Bergers Eintracht während ihres letzten Spiels auf einem Abstiegsrang – am Ende jedoch nicht. „Jörg Berger hätte auch die Titanic gerettet“, sagte Eintracht-Stürmer Jan-Aage Fjörtoft damals.

Es könnte sein, dass ein vergleichbares Drama erneut zur Aufführung kommt. Nach dem 25. Spieltag trennen den Tabellen-15. (Hoffenheim) und das Schlusslicht (Stuttgart) zwei Punkte. Davor liegen mit Bochum (14./25 Zähler), Köln (13./27) und Augsburg (12./28) noch drei Klubs in Reichweite. Seit Wochen ergibt sich von Spieltag zu Spieltag ein neues Tabellenbild: Teams, die auf einem guten Weg scheinen, blicken plötzlich wieder in den Abgrund – andere schöpfen plötzlich neue Hoffnung.

Den größten Sprung machten ausgerechnet die Hoffenheimer, obwohl sie scheinbar auf ihren negativen Kulminationspunkt zuzustreben schienen. Hätte es auch gegen die Berliner keinen Sieg gegeben – Pellegrino Matarazzo, der erst Anfang Februar verpflichtet worden war, wäre wohl schon wieder weg gewesen. Fußball sei ein „Ergebnissport“, hatte Sportdirektor Alexander Rosen vor dem Anpfiff auf die Frage nach der Halbwertzeit des Trainers gesagt. Nach dem Schlusspfiff hörte es sich dann ganz anders an. Es hätte „kein Ultimatum gegeben“, beteuerte Rosen. Dies glauben ihm nicht alle.

Denn die TSG, der vermeintlich beschaulichste Klub der Bundesliga, ist seit Monaten in Unruhe. Hinter den Kulissen gibt es verschiedene Strömungen – was es Matarazzo noch schwerer gemacht hatte, die Mannschaft in die Spur zu bringen. Ständig gab es neue Gerüchte, die es dem Coach nicht leicht machten, Autorität zu entwickeln. Der „Kicker“ hatte kurz vor dem Spiel gegen die Hertha berichtet, dass der Spielerberater Roger Wittmann, ein einflussreicher Vertrauter von Dietmar Hopp, dem Klub-Mäzen einen anderen Trainer empfohlen hatte: Kenan Kocak, den früheren Coach des Zweitligisten SV Sandhausen. „Wittmann im Verein entmachten“, stand auf einem Transparent, das die Fans am Samstag entrollt hatten.

Lob für den erfolglosen Trainer aus der Mannschaft

Matarazzo war sich der gefährlichen Gemengelage durchaus bewusst. Der 45-Jährige, der erst am 10. Oktober beim VfB Stuttgart freigestellt worden war, hatte den Schulterschluss mit der Mannschaft gesucht – vor allem mit Spielern, von denen er annimmt, dass sie über die Qualität und nervliche Robustheit verfügen, um in Drucksituationen liefern zu können. So setzte er wieder auf Kramaric, dem er in der Vorwoche beim 1:2 in Freiburg noch eine Denkpause gegeben hatte. Der 31-jährige Routinier hatte sich im Training hängen lassen. „Andrej ist ein Spieler, der uns zum Klassenerhalt schießen kann“, sagte Matarazzo nun.

In jedem Fall hat es der Trainer geschafft, die Mannschaft noch einmal hinter sich zu bringen. „Die Matarazzo-raus-Thematik hat uns noch einmal einen Push gegeben. Kein Spieler hätte es okay gefunden, wenn er hätte gehen müssen. Er macht es sensationell gut“, sagte Mittelfeldspieler Christoph Baumgartner. Es könnte sein, dass die Hoffenheimer in schwieriger Lage doch noch zur Einheit gefunden haben.

Daran mussten die Berliner kurioserweise von ihren eigenen Anhängern erinnert werden. Die Hertha-Profis trauten ihren Ohren und Augen kaum, als sie nach ihrer desaströsen Vorstellung vor den Gästefanblock traten. Statt des erwartbaren Beschimpfungsrituals wurden sie mit Aufmunterungen empfangen. „Das ist keine Selbstverständlichkeit“, sagte Kevin-Prince Boateng, der an der Leistung seiner Mitspieler ansonsten kein gutes Haar ließ. „Es ist nicht akzeptabel, das war einfach zu wenig“, sagte er. „Wir müssen uns alle hinterfragen, in den Spiegel schauen und ansonsten einfach mal die Schnauze halten und arbeiten.“

Zweifel an Hertha-Coach Sandro Schwarz wachsen

Im Abstiegskampf kommt es auf Persönlichkeiten an. Kramaric könnte eine solche sein – Boateng dagegen nur bedingt. Er weiß, worauf es ankommt, aber sein Aktionsradius ist mit 36 Jahren begrenzt. Oftmals kann er nur von außen Mut machen. „Das einzig Positive ist: Es ist alles sehr eng zusammen“, erklärte er. Ein spezifischer Vorteil könnte sein, dass der Klub seine eigene Expertise hat. „Wer sind in einer Scheißsituation. Aber das waren wir letztes Jahr auch“, so Boateng.

Doch die Leistung von Samstag verstärkt die Zweifel an Trainer Sandro Schwarz. Die vielen Fehler und vor allem die fast völlig ausbleibenden Bemühungen um eine Aufholjagd in der zweiten Halbzeit, machen ihn zunehmend ratlos. „So aufzutreten – das ist Zeitverschwendung“, urteilte er über die Mannschaft, die er zuletzt nach schwachen Vorstellungen oft in Schutz genommen hatte. Noch haben die Berliner den Trainer nicht gewechselt.

Ein Neuer könnte helfen. Das wusste keine besser als Jörg Berger, der oftmals davon profitiert hatte, wenn Vereine unruhig wurden. „Mein Leitsatz hat gelautet: Resignation ist das Alibi der Schwachen“, hatte er ein Jahr vor seinem Tod mal im WELT-Gespräch gesagt. Diese mentale Ausrichtung müsse im Abstiegskampf im Vordergrund stehen: „Wer nicht psychisch stark ist, hat keine Chance.“

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