Die Biathletin Lena Häcki-Groß skizziert, dass im Leistungssport wohl auf breiter Front die Profis unter Essstörungen leiden. Die Anfälligkeit dafür sei in diesem Bereich besonders groß. Sie selbst habe extrem darunter gelitten.
Die Schweizerin Lena Häcki-Groß geht davon aus, dass auch im Biathlon-Sport Aktive mit Essstörungen zu kämpfen haben. „Ich würde nicht sagen, dass es ein Riesenproblem ist. Aber es gibt schon einige Betroffene. Viele haben keine diagnostizierte Essstörung, sind aber auf dem Weg dahin – oder haben zumindest ein zwiegespaltenes Verhältnis zum Essen“, sagte die 27-Jährige im Interview mit „t-online.de“.
Häcki-Groß, Schwiegertochter des deutschen Olympiasiegers Ricco Groß und verheiratet mit dem Biathleten Marco Groß, hatte vor einem Jahr als erste Skijägerin ihre Essstörung öffentlich gemacht. „Es gibt viele Menschen, die davon betroffen sind – vor allem im Sport“, sagte sie. „Profisport ist eben besonders anfällig, weil es darum geht, immer etwas zu optimieren. Essen ist da ein leichtes und naheliegendes Ziel.“ Sie würde es begrüßen, wenn mehr für das Thema sensibilisiert würde.
Zuvor hatten in der ARD-Dokumentation „Hungern für Gold“ die frühere Biathlon-Weltmeisterin Miriam Neureuther und Ex-Turnerin Kim Bui auf das Problem von Essstörungen im Leistungssport hingewiesen.
„Bei intensiver Belastung schreit der Körper förmlich nach Kalorien“
Der Weg in eine Essstörung sei oft ein schleichender Prozess. „Ich habe versucht, schnell viel Gewicht zu verlieren und mich dazu gezwungen, tagelang fast gar nichts zu essen. Irgendwann macht der Körper das nicht mehr mit und es kommt zu regelrechten Fressattacken“, erklärte Häcki-Groß und ergänzte: „Ich habe komplett die Kontrolle verloren und einfach alles gegessen, was da war. Manchmal habe ich an einem Abend den kompletten Kühlschrank leer gefressen.“
Sie habe „relativ spät“ gemerkt, dass sie eine Essstörung habe. Jahrelang habe sie das Gefühl gehabt, „bei meiner Ernährung einfach nicht konsequent genug zu sein – und mir immer wieder große Vorwürfe gemacht. Deshalb habe ich sehr wenig gegessen und dann die Fressanfälle bekommen. Das nennt sich Binge Eating und wurde als Essstörung vor etwa zwei Jahren diagnostiziert“.
Normalen Menschen sehe man das meistens schnell an, skizziert Häcki-Groß: „Bei Profisportlern ist es anders, denn das intensive Training verhindert, dass man drastisch zunimmt. Mein Gewicht hat extrem geschwankt, teilweise um bis zu fünf Kilogramm pro Monat – und das bei 1,65 Metern Körpergröße. Oft sagt man, das ist wie eine Bulimie, aber ohne sich zu übergeben.“
Aufs Frühstück habe sie meistens verzichtet, bei Mittag- und Abendessen nur halbe Portionen gegessen und während des Trainings ausschließlich Wasser getrunken. „So habe ich schnell abgenommen. Allerdings wurde die Trainingsqualität immer schlechter, weil der Körper bei intensiver Belastung förmlich nach Kalorien schreit“, berichtete sie.
Auch sie sei von Trainern aufgefordert worden, Gewicht zu verlieren. Ihre jetzige Trainerin, Sandra Flunger, habe sie auf ihr Problem angesprochen, nach einem Gespräch mit ihr habe Häcki-Groß realisiert, „dass ich professionelle Hilfe brauche. Ich bin mit der Therapie noch nicht ganz durch, aber es geht mir schon viel besser.“