In der kriegsgebeutelten Ukraine steht eine Offensive der Armee an. Wie könnte es danach weitergehen? Kommt es gar zu Friedensverhandlungen? Darüber diskutieren am Donnerstagabend die Gäste in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner.
Die angekündigte Offensive der ukrainischen Armee könnte unter Umständen zu einem Ende des Krieges in der Ukraine führen. Dazu müsste es jedoch Friedensverhandlungen geben. Wie diese herbeigeführt werden könnten und wie die Zukunft des von dem russischen Angriffskrieg zerstörten Landes aussehen könnte, will ZDF-Talkmasterin Maybrit Illner am Donnerstagabend von ihren Gästen wissen.
„Der Krieg tritt in eine neue Phase, weil alle auf die ukrainische Offensive warten“, analysiert Militärexperte Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München. Gleichzeitig sei mit der vor kurzem gebildeten Kampfjetallianz klar, dass der Westen jetzt alles zur Verfügung stellen wolle, was die Ukraine für ihre Verteidigung benötige. Allerdings macht der Experte klar: Die Kampfjets werden erst in vier bis sechs Monaten zur Verfügung stehen. Dennoch seien sie wichtig, erklärt später in der Sendung der Vorsitzende der Atlantik-Brücke Sigmar Gabriel von der SPD. Sie könnten helfen, nach einem möglichen Friedensvertrag die Ukraine vor neuen Angriffen zu schützen.
Die Ukraine steht nach Meinung von Masala im Moment unter einem besonderen Druck. Das gelte auch für die Lieferungen von Waffen durch die NATO. In den USA werde bald der Wahlkampf beginnen. Dort wird 2024 ein neuer Präsident gewählt. „Dann wird es dort mit der Unterstützung der Ukraine ruhiger werden“, prognostiziert Masala. „Deshalb werden auch so große Hoffnungen in die Offensive gesetzt, wovor ich warnen würde.“
„Es wird eine lange Offensive sein, die kleine Ergebnisse zeigen wird“, sagt Masala. Möglicherweise sei sie nicht wirklich erfolgreich. Dennoch seien die westlichen Erwartungen extrem hoch, und so werde alles getan, um sie auch zu erfüllen. Aktuell bereite die ukrainische Armee die Offensive durch Angriffe auf russische Versorgungslinien vor.
„Kriege enden nicht auf dem Schlachtfeld“
„Wir stehen vermutlich vor der schlimmsten Landschlacht seit dem Zweiten Weltkrieg“, fürchtet Sigmar Gabriel. Auch er geht von einer langen Offensive aus, mit je etwa 40.000 Soldaten auf beiden Seiten. Im Unterschied zum vergangenen Jahr sei es aber jetzt die Ukraine, die in die Offensive gehe. Doch unter diesen Umständen ist das Kräfteverhältnis nicht gut verteilt, erklärt Masala. Normalerweise sollte ein Angreifer dreimal so viel Soldaten zur Verfügung haben wie der Gegner. Sein Fazit: „Das werden Schlachten, die auf beiden Seiten blutig verlaufen.“
Ob eine Chance für ein Ende des Krieges nach der Offensive besteht, wagen die Gäste nicht zu prophezeien. „Nach der Erfahrung enden Kriege nicht schon nach fünfzehn Monaten, und sie enden nicht auf dem Schlachtfeld“, so Sigmar Gabriel. Normalerweise seien es Verhandlungen, mit denen Kriege beendet würden, sagt er, und dafür sehe er im Moment keine Anzeichen.
Da ist Adam Tooze anderer Meinung. Ähnlich wie Masala glaubt auch der britische Wirtschaftshistoriker, die Offensive der ukrainischen Armee werde nicht unbedingt erfolgreich sein. Doch davon hänge die Unterstützung durch die USA ab. „Die Amerikaner brauchen eine Erfolgsgeschichte. Wenn es den Ukrainern gelingt, einen Durchbruch, einen Gewinn zu erzielen mit den amerikanischen Investitionen, ist alles gut. Die Amerikaner wollen einen Erfolg sehen. Wenn der nicht da ist, könnte die UN-Generalversammlung im September der Ort sein für einen massiven Druck der amerikanischen Seite (auf beide Kriegsparteien).“
Mögliche Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine werden sich schwierig gestalten, da ist Tooze sicher. Für die Ukraine sei es unmöglich, Kompromisse einzugehen. „Der einzige wirklich positive Ausgang für mich ist ein Sieg auf dem Schlachtfeld, und der ist für mich nicht abzusehen.“
China als Verhandlungspartner
Aber möglicherweise könnte eine dritte Partei Friedensverhandlungen unterstützen. Das wünscht sich die Linken-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali. Sie sagt: „Ich glaube, dass es gut wäre, wenn unsere Außenministerin nach China reist, um dort gute Beziehungen aufzubauen. China könnte ein Akteur sein, um zu Friedensverhandlungen kommen zu können.“
Auch Gabriel hofft auf baldige Friedensverhandlungen. „Der Krieg hat den Westen zwar geeint, aber die Welt gespalten“, sagt der Politiker. Auch in den USA setze man auf China als weiteren Verhandlungspartner, „weil Russland nur verhandeln wird, wenn da jemand ist, der auch die russischen Interessen vertritt.“ Die USA und China seien dabei, sich diplomatisch anzunähern. „Aber am Ende wird das ein unbequemer Abschluss werden. Und der wird vielleicht nicht ewig halten. Da geht es dann darum, mit F-16 und anderen Waffen die Ukraine so auszustatten, dass sie nicht in Gefahr ist, sondern dass die Ukraine kontinuierlich in die Lage versetzt wird, sich zu verteidigen.“