Mit seiner konservativen Agenda hat Floridas Gouverneur „einen Kampf zwischen den Staaten über die schärferen Gesetze entfacht“, sagt US-Politologe Todd Belt im Interview mit ntv.de. „Das könnte zum Problem für ihn werden.“
ntv.de: Ron DeSantis wollte einen großen Aufschlag mit der Verkündung seiner Kandidatur auf Twitter hinlegen. Das ging mächtig schief. Was bedeutet das für den Start seiner Kampagne?
Todd Belt: Es war schrecklich für ihn, die Kampagne so zu starten. DeSantis hoffte darauf, mit der Verkündung in den sozialen Netzwerken einen besonderen Coup zu landen. Das ging spektakulär nach hinten los. Nur eine kleine Gruppe blieb die 20 Minuten in der Leitung, bis es endlich losging. DeSantis hat auch nicht viel zu seiner Politik gesagt, was seiner kränkelnden Kampagne aufhelfen könnte. Ob es nun seine Schuld war oder nicht: Die Menschen werden sich fragen, ob er das Zeug dazu hat, das Land zu führen, wenn er nicht mal einen ordentlichen Start seiner Kampagne hinbekommt.
Prof. Todd Belt lehrt Politikwissenschaft an der George Washington University in DC.
(Foto: RTL)
Laut jüngster Umfragen würde im Moment mehr als die Hälfte der republikanischen Wähler für Trump stimmen. Hat DeSantis überhaupt eine Chance gegen ihn?
DeSantis steht ein Wahlkampf bevor, der sehr, sehr schwierig sein wird. Vielleicht hofft er, dass Donald Trump den Wahlkampf nicht durchhalten wird, sei es wegen seiner Gesundheit, seiner rechtlichen Probleme oder aus anderen Gründen. Ich bezweifle, dass das passieren wird. Donald Trump ist kein Drückeberger, und er will unbedingt die Präsidentschaft zurückerobern. Wir schätzen, dass 35 bis 40 Prozent der republikanischen Wähler auf jeden Fall für Donald Trump stimmen und eine Alternative nicht einmal in Betracht ziehen würden. Das bedeutet also, es bleiben 60 bis 65 Prozent, die Trump nicht wählen würden und deren Stimmen sich DeSantis, wie es im Moment aussieht, mit mindestens vier weiteren republikanischen Kandidaten teilen muss.
Donald Trump wurde nach den Zwischenwahlen in den USA als „größter Verlierer“ der republikanischen Partei bezeichnet, während sein Parteirivale Ron DeSantis einen deutlichen Sieg in Florida geschafft hat. Jetzt, sechs Monate später, ist die Lage völlig anders. Wie hat es Trump geschafft, in den Umfragen vor DeSantis zu liegen?
Es sah zeitweise sehr schlecht aus für Donald Trump, was die Zahl der Republikaner anging, die ihn wählen wollten. Doch das änderte sich wieder. Bei den Zwischenwahlen hat er zum Beispiel behauptet, dass seine Kandidaten erfolgreich abgeschnitten haben, obwohl das viele nicht taten. Außerdem hat Trump eine Reihe von rechtlichen Problemen. Aber diese Verfahren haben am Ende dazu geführt, dass die Republikaner ihm den Rücken wieder gestärkt haben und zu seiner Rettung geeilt sind, und die Wähler offenbar auch. Es scheint, je mehr Trump in Schwierigkeiten steckt, desto besser schneidet er in Umfragen ab. Und so hat sich das, was für jeden anderen Politiker negativ gewesen wäre, für Donald Trump in etwas Positives verwandelt.
Wie könnte DeSantis mehr Wähler gewinnen? Mit welcher Strategie?
Ron DeSantis war nach den Zwischenwahlen im Herbst 2022 im Fokus vieler Leute, aber er hat seinen Glanz verloren und muss die Aufmerksamkeit zurückgewinnen. Er wird vor allem konkrete Ideen vorlegen müssen, was seine Zukunftspläne für die USA sind. Es ist eine Sache, gegen das zu sein, was viele Liberale in sozialen Angelegenheiten gerne tun würden. Aber es ist eine andere Sache, selbst konkrete Vorschläge zu machen, gerade in Bezug auf Einwanderung und Wirtschaft. In der Außenpolitik hat er seine Antwort zur Ukraine wirklich verpatzt. Und er hat sich auch nicht besonders gut geschlagen, als er auf internationaler Ebene zuletzt mit führenden Politikern sprach. Letztlich geht es bei den Wahlen um die Zukunft. Bis jetzt wissen wir nicht wirklich, wofür Ron DeSantis steht und was er tun will oder was seine Vision für Amerika ist, wegen der die Leute ihn wählen sollten.
Aber angenommen, DeSantis würde Trump bei den Vorwahlen besiegen, glauben Sie, dass Trump-Unterstützer bei den eigentlichen Präsidentschaftswahlen auf die Seite von DeSantis wechseln?
Wenn Sie Republikaner fragen, ob sie Donald Trump bei einer Wahl unterstützen würden, sagen sie immer, sie entscheiden sich für den republikanischen Kandidaten. Vielen Anhängern von Donald Trump geht es vermutlich genauso. Sie wären nicht glücklich darüber, dass DeSantis ihren Mann aus dem Rennen geworfen hat, aber sie würden sicher nicht für Biden stimmen wollen.
Wo steht Ron DeSantis im politischen Rennen?
Ziemlich weit unten. Er muss raus ins Land und sich den Wählern vorstellen. Er muss Auftritte in Orten wie Iowa und New Hampshire absolvieren. Das hat er schon versucht, und es ist nicht gut gelaufen. Jetzt kommt es drauf an, seinen potenziellen Wählern klarzumachen, was seine Pläne für die Zukunft des Landes sind und wie sich diese von Donald Trumps Plänen unterscheiden.
Wie viel Rückhalt hat DeSantis Ihrer Meinung nach in der Republikanischen Partei?
Nicht sehr viel. Derzeit ist Ron DeSantis in seinem eigenen Bundesstaat sogar weniger beliebt als Donald Trump. Das ist problematisch, wenn er versuchen will, einen landesweiten Wahlkampf zu führen. Es ist wichtig, dass die Kandidaten von Staat zu Staat gehen und die Unterstützung von politisch wichtigen Menschen gewinnen. Denn die können dem Kandidaten helfen, einen Bundesstaat zu gewinnen. Im Moment hat Ron DeSantis nicht viele gute Beziehungen in andere Bundesstaaten. Wenn er die Vorwahlen bestehen will, muss er anfangen, neue Beziehungen aufzubauen.
Disney hat Gouverneur DeSantis verklagt, weil der Konzern seine Meinungsfreiheit wegen des so genannten „Don’t Say Gay“-Gesetzes verletzt sieht. Wie könnten sich negative Schlagzeilen auf seine Kampagne auswirken?
Die negativen Schlagzeilen in Bezug auf Disney und die Probleme mit der Meinungsfreiheit haben bereits dazu geführt, dass eine Reihe von Spendern, die angekündigt hatten, seine Kampagne finanziell unterstützen zu wollen, es jetzt nicht mehr tun wollen. Das „Wall Street Journal“ schrieb zuletzt, Ron DeSantis bringe die Wirtschaft gegen sich auf. Das ist für jeden Republikaner in der Regel ein Riesenproblem, wenn sich der Kandidat nicht darauf verlassen kann, dass Unternehmen hinter ihm stehen. Das könnte für DeSantis eine große Herausforderung darstellen.
Ron DeSantis spricht von der „Florida-Blaupause“. Er will seine Gesetzesverschärfungen auf die gesamten USA übertragen. Glauben Sie, dass diese Art Gesetze, die DeSantis verabschiedet, im ganzen Land funktionieren könnten?
Florida ist in hohem Maße speziell. In anderen Staaten wie Montana, Idaho und Texas gibt es bereits ähnliche Gesetze, insbesondere in Bezug auf die Rechte von Transsexuellen. Im Großen und Ganzen hat Ron DeSantis einen Kampf zwischen den Staaten über die schärferen Gesetze entfacht und das könnte zum Problem für ihn werden, denn er will ja derjenige sein, der in Zukunft mit seiner Politik die gesamten Vereinigten Staaten von Amerika prägen will.
Mit 44 Jahren ist Ron DeSantis ja noch ziemlich jung. Glauben Sie, dass er wieder kandidieren wird, wenn er in diesem Jahr die Vorwahlen nicht übersteht?
Ich glaube auf jeden Fall, dass er noch einmal antreten wird. Das erste Mal hilft den Kandidaten oftmals, einen Kern von Anhängern, Freiwilligen und Spendern aufzubauen, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern und Unterstützung zu bekommen, die dann beim zweiten Mal noch hilfreicher sein werden. Die meisten Menschen, die für das Präsidentenamt kandidieren, sind beim ersten Mal nicht erfolgreich.
Glauben Sie, dass DeSantis Präsident werden könnte?
Es kann noch einiges passieren, wenn man bedenkt, dass es zwei Achtzigjährige sind, die in den Umfragen ganz vorne liegen. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass sich das Rad zu seinen Gunsten noch wenden könnte.
Mit Todd Belt sprachen Hannah Sach und Christopher Wittich