SPD-Chef Lars Klingbeil bekommt für sein Vorhaben, Besserverdiener stärker an den Mehrkosten in der Krise zu beteiligen, Rückendeckung von den Grünen. In der FDP regt sich Widerstand. Und auch die Union sieht in Steuererhöhungen „Gift für unsere Betriebe“.
Nach den milliardenschweren Entlastungspaketen für die Bürger im Rahmen der Energiekrise ist in der Ampel-Koalition eine Diskussion über die Gegenfinanzierung entbrannt, die das Bündnis belasten könnte. SPD-Chef Lars Klingbeil kündigte für 2023 eine Debatte über Steuergerechtigkeit und die Finanzierung der Krisenbekämpfung an. „Die Diskussionen um eine gerechte Verteilung werden wir als SPD im kommenden Jahr sehr klar führen“, sagte Klingbeil der BILD am SONNTAG. Der Parteivorsitzende strebt dabei eine stärkere Belastung der Vermögenden an: „Die SPD will grundsätzlich, dass diejenigen, die viel haben, auch mehr leisten zur Finanzierung des Gemeinwohls.“
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Achim Post sagte WELT, Klingbeil habe recht, wenn er auf die Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der Krisenlasten hinweise. „Das ist eine der ganz elementaren Gerechtigkeitsaufgaben, die vor uns liegen.“ Einen ähnlichen Vorschlag hatte kürzlich auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gemacht.
In ihrem Jahresgutachten hatten die Wirtschaftsweisen vorgeschlagen, die Energiepakete teilweise durch eine „zeitlich streng befristete Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder einen Energie-Solidaritätszuschlag für Besserverdienende“ gegenzufinanzieren.
Bei den Grünen stoßen die Vorschläge auf Zustimmung. „Die im internationalen Vergleich wirklich sehr hohe Ungleichverteilung in Deutschland birgt substanzielle Gefahren für den demokratischen Zusammenhalt“, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Katharina Beck, WELT. „Deswegen müssen wir uns, gerade in der aktuellen Krise, ernsthaft mit den Vorschlägen des Sachverständigenrats beschäftigen, starke Schultern mehr an der Finanzierung der Krisenkosten zu beteiligen.“
Protest kam hingegen von der FDP. „Wir müssen auf dem Pfad der Entlastung bleiben“, sagte Fraktionschef Christian Dürr WELT. Mit dem Inflationsausgleichsgesetz sei ein erster wichtiger Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit geschaffen worden – quer durch die Gesellschaft. „Das ist ein Weg, den wir gemeinsam weitergehen müssen“, sagte Dürr. In diesem Sinne könne man gerne über Steuerpolitik diskutieren. Belastungen seien jedoch ausgeschlossen. „Es wäre ein Schlag ins Gesicht des Mittelstandes, wenn nach den Krisen jede wirtschaftliche Erholung direkt wieder abgewürgt werden würde“, so Dürr. „Unternehmen schaffen Jobs und Wohlstand. Daher sollten wir alles tun, um auch die Belastung der Wirtschaft zu senken.“
Harsche Kritik kam auch aus der Opposition. „Lars Klingbeil ist die Dramatik der Lage offenbar nicht klar“, sagte Mathias Middelberg (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand. „Wir sind in einer der größten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg. Unsere Wirtschaft geht gerade Richtung Abschwung. Da wären höhere Steuern Gift für unsere Betriebe und würden unsere Arbeitsplätze massiv gefährden.“ Thema müssten jetzt Entlastungen sein, nicht neue Belastungen.
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