Aus dem Südosten der Türkei werden am frühen Morgen zwei starke Erdbeben gemeldet. Auch Syrien ist betroffen. Hunderte Menschen sterben. Das gesamte Ausmaß der Katastrophe ist noch nicht absehbar, die Türkei bittet um internationale Hilfe.
Bei verheerenden Erdbeben im Südosten der Türkei und im Nordosten Syriens sind nach offiziellen Angaben mehr als 630 Menschen ums Leben gekommen. In der Türkei wurden am Morgen laut Vizepräsident Fuat Oktay 284 Opfer gezählt. Mehr als 2300 Menschen seien verletzt worden. Für Syrien nannten das Gesundheitsministerium und Ersthelfer 350 Tote sowie mehr als 600 Verletzte in mehreren Provinzen.
Ein schweres Erdbeben hatte am frühen Morgen die Südosttürkei erschüttert. Die US-Erdbebenwarte USGS gab die Stärke mit 7,8 an. Das Epizentrum lag nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde Afad in der Provinz Kahramanmaras nahe der syrischen Grenze. Ein weiteres Beben sei kurz darauf in der Provinz Gaziantep gemessen worden. Die Angaben zur jeweiligen Stärke gehen auseinander, das Geoforschungszentrum Potsdam ging von 7,7 und 6,2 aus.
In der Türkei stürzten mindestens 1700 Gebäude ein. Das Beben mit Hunderten Toten sei in zehn Provinzen zu spüren gewesen, sagte Oktay. Unter den eingestürzten Gebäuden sei neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun. In Gaziantep stürzte der Zeitung „Hürriyet“ zufolge eine historische Burg ein. Vielerorts werden weiterhin etliche Menschen unter dem Schutt vermutet. Im Staatssender TRT war zu sehen, wie Menschen bei Schnee in der Stadt Iskenderun aus Trümmern befreit wurden. Auch aus den Städten Gaziantep, Sanliurfa, Osmaniye, Diyarbakir und Adana wurden Bilder gezeigt, auf denen Menschen teilweise in Decken gehüllt abtransportiert wurden.
66 teils starke Nachbeben
Laut dem Innenministerium wurden Rettungsteams aus dem ganzen Land zusammengezogen. Man habe die Alarmstufe vier ausgerufen und damit auch um internationale Hilfe gebeten. Die Katastrophenschutzbehörde Afad meldete 66 teils starke Nachbeben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schrieb auf Twitter, „wir hoffen, dass wir diese Katastrophe gemeinsam in kürzester Zeit und mit möglichst geringem Schaden überstehen“.
Auch in Syrien stürzten laut Sana in zahlreichen Städten Gebäude ein. Fotos zeigten, wie Rettungsteams Menschen auf Tragbahren wegtrugen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums Raed Ahmed sagte laut Sana, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995. Die Rettungsorganisation Weißhelme sprach ihrerseits von vielen Toten. „Wir reagieren mit allem, was wir können, um diejenigen zu retten, die unter den Trümmern liegen“, sagte der Leiter der Gruppe, Raed Al Saleh. „Die Lage ist sehr tragisch“, sagte ein Mitglied der Gruppe.
Zahlreiche Länder sicherten bereits Hilfe zu. Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet im Nachbarland zu schicken. „Griechenland wird sofort helfen“, erklärte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Auch Israel und Italien wollen humanitäre Hilfe leisten.
Von ihren übrigen NATO-Partnern bekommt die Türkei ebenfalls Hilfe. Alliierte seien dabei, Unterstützung zu mobilisieren, schrieb NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Morgen bei Twitter. Er selbst sei in Kontakt mit dem türkischen Präsidenten Erdogan und Außenminister Mevlut Cavusoglu. Über seine Nachricht setzte Stoltenberg die Worte: „Uneingeschränkte Solidarität mit unserem Verbündeten Türkei nach diesem schrecklichen Erdbeben.“
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock sagten Hilfe zu. „Deutschland wird selbstverständlich Hilfe schicken“, schrieb Scholz auf Twitter und zeigte sich bestürzt angesichts der Nachrichten aus den betroffenen Gebieten. „Die Zahl der Todesopfer steigt immer weiter. Wir trauern mit den Angehörigen und bangen mit den Verschütteten.“ Baerbock versprach: „Wir werden mit unseren Partnern rasch Hilfe auf den Weg bringen.“ Man sei „mit schrecklichen Nachrichten“ aus der Türkei und Syrien aufgewacht, schrieb die Grünen-Politikerin ebenfalls auf Twitter. „Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer dieser furchtbaren #Erdbeben und allen, die um ihre Familie, Freunde, Nachbarn bangen.“
Auch Libanon, Israel und Zypern betroffen
Im Libanon, in Israel und auf Zypern war das Beben ebenfalls zu spüren. In den libanesischen Städten Beirut und Tripoli flohen die Menschen aus Angst vor einem Einsturz aus ihren Wohnhäusern, wie Augenzeugen berichteten.
Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr. Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben.
1999 wurde die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben.