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Skandal um Nord Stream 2: Rücktrittsforderung an Schwesig-Minister

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Harald Terpe ist ein bedächtiger Mann. Der frühere Bundestagsabgeordnete und heutige Grünen-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern neigt zu vorsichtiger Redeweise ohne größere Provokationen. Doch am Dienstag wurde der 68-Jährige mit Blick auf den heutigen Landesinnen- und früheren Energieminister Christian Pegel (SPD) sehr deutlich: „Pegel hat die Landesverfassung verletzt“, sagte Terpe bei einer Pressekonferenz.

„Eine rote Linie“ habe Pegel überschritten. Denn der Minister habe im März 2022 bei der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Zusammenhang mit der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 „wissentlich Informationen verschwiegen“, obwohl solche Landtagsanfragen laut Landesverfassung vollständig beantwortet werden müssten. Daraus folgt für Terpe: „Wir fordern Christian Pegel zum Rücktritt von seinem Amt als Innenminister auf.“

In der Sache signalisierte die ebenfalls oppositionelle CDU Zustimmung. Zwar schloss sich Sebastian Ehlers, CDU-Obmann im Landtags-Untersuchungsausschuss zu der sogenannten Klimastiftung und der Fertigstellung von Nord Stream 2, der Rücktrittsforderung an Pegel nicht explizit an. Aber: „Der Verdacht auf eine gemeinschaftliche Verabredung zur willentlichen Täuschung des Parlaments durch Mitglieder der Landesregierung erhärtet sich“, sagte Ehlers.

Die Landesregierung habe „mehrfach nicht die Wahrheit gesagt, und zwar vorsätzlich“. Es sei ein „Skandal, dass das anscheinend nach wie vor ohne jede Folge bleiben soll“. Ähnlich FDP-Fraktionschef René Domke: „Die Schlinge zieht sich immer weiter zu. Ganz offenbar hat eine Täuschung des Parlaments stattgefunden.“

„Entweder wir lassen das ganz weg, oder…“

Anlass für diese Eskalation der ohnehin schon heftigen Auseinandersetzungen um Klimastiftung und Ostsee-Pipeline sind Berichte von WELT und WELT AM SONNTAG. In denen wurde am vergangenen Wochenende beschrieben, was in der Landesregierung bei der Beantwortung der genannten Kleinen Anfrage im März 2022 geschah.

Gefragt hatte der Grünen-Abgeordnete Hannes Damm unter anderem danach, welche Informationen die Landesregierung über die Firma Rokai habe. Die war der mit Abstand wichtigste Partner der Klimastiftung bei der Fertigstellung von Nord Stream 2 und wollte hierfür schon früh große Flächen im Rostocker Hafen anmieten. Die Antwort auf Damms Frage nach Informationen der Landesregierung über Rokai lautete: „Der Landesregierung liegen hierüber keine Informationen vor.“

Doch dieser Antwort war ein verräterischer Mail-Wechsel zwischen hohen Beamten aus der Staatskanzlei sowie dem Wirtschafts- und Innenministerium vorausgegangen. Beratschlagt wurde dabei über den Entwurf der Antwort an Damm, und in diesem Entwurf hieß es, Minister Pegel sei tatsächlich über die Rolle von Rokai informiert gewesen, habe aber an keinen Geschäftsverhandlungen teilgenommen.

Angesichts dieses Entwurfs drängten Beamte der Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) auf Präzisierung: „Entweder wir lassen das ganz weg, oder wir spezifizieren die Antwort.“ Das beteiligte Wirtschaftsministerium regte an, „dass der Passus gestrichen wird“. Daraufhin hakte die Staatskanzlei im Innenministerium von Pegel nach. Ergebnis der Debatte war eine Entscheidung für die Variante „Weglassen“ – offenkundig mit Billigung von oben: Minister Pegel sehe das genauso, man solle die entsprechende Stelle weglassen.

Für die Grünen steht damit zweierlei fest. Erstens, dass die Antwort auf die damalige Kleine Anfrage – „Der Landesregierung liegen keine Informationen vor“ – unwahr gewesen sei. Und zweitens, dass die Wahrheit – Pegel hatte durchaus Informationen – wissentlich verschwiegen worden sei.

Zwei Mal reagiert – aber nicht gleichlautend

Pegel selbst hat auf die Berichte schon zwei Mal reagiert, und zwar nicht gerade gleichlautend. Zunächst veröffentlichte er eine Pressemitteilung, wonach die Aktivitäten von Rokai im Pipeline-Zusammenhang zum Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen Anfrage ja wegen Berichten von NDR und „Ostsee-Zeitung“ schon „lange bekannt“ gewesen seien.

Warum das ein Grund gewesen sein soll, dem Landtag zu sagen, der Landesregierung lägen keine Informationen vor, ließ Pegel offen. Er betonte aber, dass die Regierung „bei keinem der Beteiligten Einfluss auf das operative Geschäft genommen“ habe.

Doch am Dienstag ließ Pegel in einer zweiten Pressemitteilung die Öffentlichkeit wissen, dass in der Regierung nun doch Unterlagen gefunden worden seien, wonach er selbst in seiner Zeit als Energieminister mit der Frage zu tun hatte, ob sich Rokai in Rostock niederlassen könne. Pegel gab zu, dass er damals innerhalb der Landesregierung mailte, dagegen keine Bedenken zu haben. Und: dass er darum gebeten habe zu prüfen, ob man nicht, statt nach Rostock zu gehen, alle mit Nord Stream 2 im Zusammenhang stehenden Aktivitäten im Hafen Sassnitz-Mukran auf Rügen bündeln solle.

Angesichts dessen fragt sich erstens umso mehr, warum es in der Antwort an den Landtag hieß, dass die Landesregierung keine Informationen zu Rokai hatte. Und zweitens, was angesichts von Pegels Prüfauftrag zum Thema Rostock versus Rügen von seiner vorherigen Pressemitteilung zu halten ist, dass die Landesregierung „bei keinem der Beteiligten Einfluss auf das operative Geschäft genommen“ habe.

CDU-Mann Ehlers jedenfalls meinte am Mittwoch, dass die Glaubwürdigkeit demokratischer Institutionen erheblichen Schaden nehme, wenn „die Wahrheit bis zur Unkenntlichkeit gedehnt wird“.

Die SPD der Ministerpräsidentin hingegen erklärte die Rücktrittsforderung an Pegel für „absurd“ und bezeichnete sie als „Schmutzkampagne der Opposition“. Die Grünen sollten sich, so SPD-Fraktionschef Julian Barlen, „jetzt lieber darum kümmern, ihre eigenen Reihen zu sortieren und mit ihrem Bundesminister Habeck für eine sichere und bezahlbare Versorgung zu sorgen, anstatt Chaos, Verbote und Verunsicherung zu verbreiten“.

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