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Mysteriöses Schiff vor Kapstadt: Liefert ein nostalgisches Südafrika Waffen an Russland?

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Im Dezember legt ein russisches Schiff in einem Militärhafen in Südafrika an. Die „Lady R“ fährt wenig später zurück in die Heimat. Der amerikanische Botschafter in Südafrika sagt, er würde sein Leben darauf verwetten, dass im Schutz der Dunkelheit Waffen verladen wurden. Die südafrikanische Regierung will davon nichts wissen.

Viele Freunde hat Russland auf der Weltbühne seit dem Angriff auf die Ukraine nicht mehr. Vor allem offiziell stellen sich nur brutale Diktaturen an die Seite Moskaus. Die meisten Staaten verurteilen den Angriff. Es gibt aber auch Länder wie Brasilien und Südafrika, die mit dem Krieg am liebsten gar nichts zu tun haben wollen. Sie verhalten sich offiziell „neutral“. Doch vor allem an der südafrikanischen Neutralität haben die Amerikaner mittlerweile große Zweifel.

Grund ist die „Lady R“, ein von den USA sanktioniertes Frachtschiff aus Russland, das im Dezember den Militärhafen von Simon’s Town in der Nähe von Kapstadt angelaufen ist – geheim und im Schutz der Dunkelheit. Angeblich, um ungestört Waffen für die russische Armee verladen zu können.

Das „Wall Street Journal“ hatte Anfang des Jahres zuerst über die mysteriöse Verladeaktion berichtet. Anfang Mai bekam die Geschichte neues Feuer. Denn der US-Botschafter in Südafrika, Reuben Brigety, sagte bei einem Treffen mit lokalen Medienvertretern, er sei sicher, dass Südafrika Russland über die „Lady R“ mit Waffen für den Angriff auf die Ukraine versorgt hat.

Ob das stimmt, ist allerdings nicht bewiesen, macht die Südafrika-Expertin Melanie Müller von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im ntv-Podcast „Wieder was gelernt“ deutlich. „Es ist ein sehr mysteriöser Vorgang. Es ist nicht klar, was genau passiert ist. Die südafrikanische Regierung hat sehr vehement darauf reagiert.“

Anfang des Jahres, als der mysteriöse Aufenthalt der „Lady R“ bekannt wurde, wollte die südafrikanische Regierung den Vorfall weder bestätigen noch dementieren. Die Verteidigungsministerin warf den USA lediglich vor, mit den Vorwürfen „ganz Afrika, nicht nur Südafrika“ zu bedrohen, „mit allem, was auch nur nach Russland riecht“.

„Das wäre eine illegale Lieferung“

Aber nicht nur die Amerikaner, sondern auch die südafrikanische Opposition war wegen der „Lady R“ aufgebracht. Für sie war es bereits ein gefundenes Fressen, dass ein mit westlichen Sanktionen belegtes Schiff überhaupt in Südafrika anlegen konnte. Und dann auch noch in einem Militärhafen, unter mysteriösen Umständen. Denn bevor die „Lady R“ im Dezember Südafrika besuchte, wurde ihr Transponder ausgeschaltet. Dann sind zwei Nächte lang Kisten auf das Schiff geladen worden – unter Aufsicht von bewaffneten Sicherheitskräften, wie mehrere Zeugen berichten.

Ohne eine Genehmigung der südafrikanischen Regierung wäre das unmöglich gewesen, wurde ein hochrangiger US-Beamter zitiert. „Waffenlieferungen werden ähnlich wie in Deutschland erst nach einer Genehmigung durch einen Ausschuss erlaubt. Diese Lieferungen führen in der Regel die Waffenproduzenten durch. Es kann aber auch eine Lieferung aus Beständen des Militärs gewesen sein. Die Regierung sagt aber, dass es überhaupt keine Genehmigung gab“, sagt Südafrika-Expertin Müller im Podcast.

„Entweder ist die Darstellung der USA falsch und es gab keine Lieferungen. Oder die Darstellung der südafrikanischen Regierung ist falsch und es gab doch eine Lieferung. Die dritte Möglichkeit ist, dass es keine offizielle Genehmigung, aber dennoch einen Waffentransport gab. Das wäre dann eine illegale Lieferung“, fasst Müller die Lage zusammen.

Steckt korruptes Netzwerk dahinter?

Welche Version der Wahrheit entspricht, ist nach wie vor unklar. Doch der amerikanische Botschafter in Südafrika, Reuben Brigety, ist überzeugt: Er sagte Anfang dieses Monats, dass er sein Leben darauf verwetten würde, dass Südafrika illegal Waffen an Russland geliefert hat.

Dafür spricht unter anderem, dass Südafrika die Aktion an sich nie dementiert hat. Die aktuellste Version lautet so, dass mit dem Schiff Waffen für das südafrikanische Militär angeliefert wurden. Was dann aber mit der „Lady R“ von Südafrika nach Russland gebracht wurde, verschweigt das Land.

Stattdessen gibt sich die Regierung enttäuscht. Aus dem Büro von Präsident Cyril Ramaphosa heißt es, dass die Lieferung unabhängig untersucht werden soll. Man habe auch schon mit den USA darüber gesprochen. Der amerikanische Botschafter habe die „sehr positiven und konstruktiven Gespräche“ untergraben, lautet der Vorwurf.

Das könnte im Umkehrschluss aber auch bedeuten, dass die südafrikanische Regierung nicht weiß, ob und warum russische Schiffe in südafrikanischen Militärhäfen anlegen und was sie dort tun. Das wäre höchst problematisch, sagt Melanie Müller. Denn das würde bedeuten, dass Präsident Ramaphosa womöglich keine Kontrolle über seine Regierung, seine eigene Partei oder das eigene Militär hat. „Das halte ich nicht mal für unplausibel, weil wir es mit einem Land zu tun haben, wo Korruption in höchsten Regierungskreisen nach wie vor eine ganz wichtige Rolle spielt. Es könnte sein, dass Teile dieses Netzwerks in irgendeiner Art und Weise darin involviert sind“, analysiert Müller.

Südafrika will Putin nicht verhaften

US-Botschafter Brigety soll sich laut des südafrikanischen Außenministeriums mittlerweile entschuldigt haben. Er habe „zugegeben, dass er eine Grenze überschritten hat“. Was genau das bedeuten soll, ist unklar. An den vielen Ungereimtheiten, die es um die mysteriöse Schiffsverladung gibt, ändert das nichts. Und auch nicht an den vielen Kritikpunkten gegenüber Südafrika und seiner offensichtlich Russland-freundlichen Haltung.

Denn im Februar nahm das Land an einer Marineübung mit Russland und China teil – vor der südafrikanischen Küste und ausgerechnet, als sich der Angriff auf die Ukraine das erste Mal jährte. Präsident Ramaphosa hat seinen Amtskollegen Putin auch zum Gipfeltreffen der Brics-Länder – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – im August nach Johannesburg eingeladen.

Im März allerdings sprach der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten aus. Um Putin beim Brics-Gifpel nicht festnehmen zu müssen, kündigte Ramaphosa dem Strafgerichtshof daher den südafrikanischen Austritt an. Zu viel für die südafrikanische Öffentlichkeit: Der Protest war so groß, dass Ramaphosa seine Entscheidung nur Stunden später revidieren musste. Derzeit ist unklar, ob Putin im August persönlich nach Südafrika reisen wird. Pretoria hat deshalb sogar darüber nachgedacht, das Treffen virtuell abzuhalten.

„Mein Eindruck ist, dass sich Südafrika ein bisschen aus der Situation mogeln wollte, weil man in keiner guten Position ist. Entweder lassen sie ihn einreisen und sind dadurch international mehr oder weniger geächtet. Oder sie verhaften ihn und verschlechtern dadurch ihre Beziehungen zu Russland und anderen Ländern“, nennt Müller Gründe für den „Schlingerkurs“ Pretorias. Denn über seine Außenministerin hat Südafrika den Angriff auf die Ukraine mehrfach auch als „völkerrechtswidrig“ bezeichnet.

Doch in Erinnerung bleiben vor allem Präsident Ramaphosa und andere Mitglieder der südafrikanischen Führung, die sich erstaunlich viel Mühe geben, Putin in Schutz zu nehmen. Speziell in der Regierungspartei, dem ANC, gibt es mehrere regelrechte Russland-Nostalgiker. Ihre Wurzeln liegen in der Anti-Apartheid-Bewegung, als die Sowjetunion den Kampf der Südafrikaner gegen das rassistische System der weißen südafrikanischen Minderheit an der Spitze des Landes unterstützt hatte. Doch in der südafrikanischen Regierung scheint man manchmal zu vergessen: Auch die Ukraine war ein Teil der Sowjetunion – und wird derzeit von Russland angegriffen.

„Wieder was gelernt“-Podcast

„Wieder was gelernt“ ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.

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