Neuer Ampel-Streit in der Asylpolitik: Innenministerin Faeser (SPD) prüft Möglichkeiten, am Abschiebestopp für Straftäter und Gefährder aus Afghanistan zu rütteln. Union und AfD drängen zu schnellem Handeln. Doch die Grünen bremsen – es gehe auch um die Sicherheit der Abgeschobenen.
In der Ampel-Koalition bricht Streit auf über den Umgang mit Straftätern und Gefährdern aus Afghanistan, die schon seit Längerem keine Abschiebung in ihr Heimatland befürchten müssen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) prüft eine Abkehr von dieser Linie und stößt damit bei den Grünen auf Widerspruch.
„Bei Personen, die eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Deutschland darstellen, müssen Abschiebungen besonders forciert werden“, erfuhr WELT aus Sicherheitskreisen. „Daher werden auch Möglichkeiten intensiv geprüft, wie Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan wieder erfolgen können.“ Dafür sei erforderlich, mit Afghanistan eine Verständigung über die Rückübernahme von Personen zu erreichen und entsprechende Modalitäten wie die Identifizierung, die Ausstellung von Dokumenten und die konkreten Rückführungsverfahren zu vereinbaren.
Zudem müsse der Schutz der Begleitkräfte und der Flugzeugbesatzungen gewährleistet sein. „Angesichts der außerordentlich schwierigen Sicherheitslage und der Tatsache, dass keine international anerkannte Regierung in Afghanistan existiert, sind somit schwierige Fragen zu klären“, hieß es. „Das Bundesinnenministerium betreibt mit dem Auswärtigen Amt die schnellstmögliche Klärung dieser Fragen.“ Zuerst hatte die „Bild am Sonntag“ darüber berichtet.
Bei SPD und FDP findet der Vorstoß Unterstützung. „Es braucht eine Lösung, insbesondere schwerwiegende und sicherheitsgefährdende Fälle zu regeln“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese WELT. „Dass das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt dazu im Austausch sind, ist richtig und wichtig.“ Notwendige Voraussetzungen seien eine stabile Sicherheitslage, Garantien für sichere Rückführungen und tragbare Beziehungen zu den dortigen politischen Ansprechpartnern. „Aufgrund der politischen Situation mit dem Taliban-Regime sind Abschiebungen nach Afghanistan derzeit rechtlich und praktisch extrem schwierig.“
„Risiko schwerster Menschenrechtsverletzungen“
Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, sagte: „Wenn sich Menschen aus dem Ausland nicht an unsere Rechtsordnung halten, sondern Straftaten begehen und damit unsere innere Sicherheit gefährden, müssen sie unser Land verlassen.“ Daher sei es richtig zu prüfen, ob Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abgeschoben werden können. „Grundlage für mögliche Rückführungen nach Afghanistan ist jedoch immer eine Einzelfallprüfung nach Maßgabe des Lageberichts des Auswärtigen Amtes.“ Sollte der Bericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Sicherheitslage vor Ort Abschiebungen möglich macht und diese sich auch organisatorisch durchführen lassen, müssten sie konsequent umgesetzt werden.
Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat hält dagegen: „Zu Recht sind seit 2021 alle Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt, da Afghaninnen und Afghanen bei Rückkehr dem Risiko schwerster Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.“ Derzeit unterhalte Deutschland keine diplomatischen Beziehungen zu der De-facto-Regierung der Taliban und könne die Sicherheit der abgeschobenen Menschen nicht garantieren. „Eine neue Einschätzung der Bundesregierung zur menschenrechtlichen Lage in Afghanistan ist mir nicht bekannt und lässt damit auch keine neue Bewertung des Abschiebestopps zu.“
Union und AfD drängen hingegen zum Handeln. Der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm warf Faeser vor, bei diesem Thema „bislang immer untätig geblieben“ zu sein. „Wir haben von Frau Faeser immer wieder verlangt, dass Straftäter und islamistische Gefährder nach Afghanistan abgeschoben werden. Zuletzt habe ich Frau Faeser im Februar schriftlich dazu aufgefordert. Eine Antwort habe ich von der Bundesinnenministerin nicht erhalten“, sagte Throm WELT. In der Bevölkerung gebe es keinerlei Verständnis mehr dafür, dass zum Beispiel der verurteilte afghanische Vergewaltiger eines 14-jährigen Mädchens aus Illerkirchberg nicht abgeschoben werden kann.
Sollte Faeser tatsächlich wieder Straftäter und Gefährder nach Afghanistan abschieben wollen, müsse sie sich mit Baerbock einigen. „Erst vor wenigen Tagen hat das Auswärtige Amt in einem Schreiben an mich erkennen lassen, dass die Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan dort keine Option ist“, so der CDU-Politiker. „Es sieht alles danach aus, als wenn die Bundesregierung wie so oft auch beim Thema Rückführungen nach Afghanistan blockiert ist. Der Streit innerhalb der Ampel wird zunehmend zu einem Sicherheitsproblem für unser Land.“
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel, sagte, rechtzeitiges Abschieben rette Menschenleben. Dass die Bundesregierung ihren Kurs jetzt überprüfen wolle, falle in die Kategorie „zu wenig, zu spät“. Es zeige, dass die Innenministerin diese Gefahr stiefmütterlich behandelt. Ein erster wichtiger Schritt wäre, den Zuzug weiterer Gefährder zu verhindern, indem die deutschen Grenzen gegen illegale Einwanderung „versiegelt werden“.
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