Stiftungen und Verbände kritisieren den Gipfel von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) als viel zu unambitioniert. Sie sehen den Bundeskanzler in der Verantwortung, Probleme wie den Lehrermangel und das sinkende Leistungsniveau zur Chefsache zu machen.
Der von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) für diesen Dienstag und Mittwoch einberufene Bildungsgipfel ist bereits im Vorfeld auf massive Kritik gestoßen. In einem gemeinsamen Appell kritisieren 50 Stiftungen, Verbände, Gewerkschaften und Bildungsträger das Treffen als zu unambitioniert.
Nach Ansicht der Unterzeichner wird der Gipfel, der am Rande der traditionellen Bildungsforschungstagung des Ministeriums stattfindet, mit Blick auf Format, Vorbereitung, Agenda und Teilnehmer „der Dimension der Herausforderung nicht gerecht“.
„Es ist höchste Zeit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschef:innen der Bundesländer einen echten Nationalen Bildungsgipfel einberufen. Dieser Gipfel sollte alle relevanten Akteur:innen in der Bildung an einen Tisch bringen und den Auftakt zu einem grundlegenden, gesamtgesellschaftlichen Reformprozess markieren, um einen Neustart in der Bildung einzuleiten“, appellieren die Organisationen.
An dem von Stark-Watzinger organisierten Treffen war zuvor von verschiedenen Seiten Kritik laut geworden. Hessens Schulminister Alexander Lorz (CDU) kritisierte die Vorbereitung des Gipfels als „unprofessionell“. „Weder der Termin noch Format und Inhalte waren mit uns abgesprochen“, sagte Lorz dem Portal Table.Media. Vor allem aus den unionsregierten Ländern hatte es daher zahlreiche Absagen gegeben.
Auch in der Ampel-Koalition gab es Kritik: Grünen-Bildungsexpertin Nina Stahr sagte dem Portal, ihre Partei habe sich gewünscht, dass der Gipfel größer ausfalle und hochkarätiger besetzt sei – so etwa wie der 2008 von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit allen Ministerpräsidenten in Dresden abgehaltene Bildungsgipfel.
„Alarmsignale längst unverkennbar“
Um den dringend benötigten Reformprozess herbeizuführen, brauche es eine „Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen“, fordern auch die Unterzeichner des Appells. Sie fordern, die Bildung jetzt zur Chefsache zu machen. Der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten hätten das nötige Gewicht, um gemeinsam mit den zuständigen Ministerien und Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis, Zivilgesellschaft, Schüler und Eltern zusammenzubringen.
Ein solcher Nationaler Bildungsgipfel müsse den Auftakt zu einem kontinuierlichen Dialog- und Reformprozess mit gemeinsamen Arbeitsstrukturen markieren. Nur mit vereinten Kräften könne der Neustart in der Bildung „als elementare Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ gelingen.
„Die Alarmsignale sind längst unverkennbar und zeigen sich bereits in der frühen Bildungsphase“, warnen die Verbände. Bundesweit fehlten Hunderttausende Kita-Plätze und Erzieher, an den Schulen sinke das Leistungsniveau auf allen Ebenen dramatisch, der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss bleibe hoch.
Zugleich wachse die Zahl junger Menschen, die im Berufsleben den Anschluss verlieren. „Neben individuellen Risiken erwachsen daraus auch soziale und wirtschaftliche Belastungen für die Gesellschaft.“ Über alle Bildungsstufen hinweg bleibe zudem das „Kernproblem deutscher Bildungspolitik“ ungelöst: der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. „Auf diese Weise werden die Chancen und Rechte von Kindern und Jugendlichen beschnitten und Begabungen vergeudet.“
Obwohl sich alle Beteiligten viel Mühe gäben, gelinge es dem Bildungssystem „immer weniger, die Fehlentwicklungen zu korrigieren“, monieren die Unterzeichner. Das liege zum einen am massiven Mangel an Lehrkräften und pädagogischem Personal, zum anderen an der Unterfinanzierung des Bildungssystems und seiner strukturellen Reformunfähigkeit aufgrund der unsystematischen Verflechtung der politischen Ebenen. „Gefragt ist eine neue Kultur der Bildungszusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen, wie sie der Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt hat.“
Unterzeichnet ist der Appell von Bildungsstiftungen wie der Bertelsmann- und der Bosch-Stiftung, Lehrergewerkschaften, Kinderrechtsorganisationen und Bildungsverbänden.
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