In Washington hält US-Präsident Joe Biden seine Rede zur Lage der Nation. Darin sendet er eine klare Botschaft an Peking. Der Ukraine sichert er weitere Unterstützung zu. Zudem werde er die heimische Wirtschaft stärken, verspricht der Demokrat.
US-Präsident Joe Biden hat die Amerikaner zu Mut und Entschlossenheit inmitten globaler Umbrüche aufgerufen. Die Welt stehe an einem Wendepunkt, „einem jener Momente, die nur wenige Generationen erleben, wo die Richtung, die wir jetzt einschlagen, den Kurs dieser Nation und der Welt für die nächsten Jahrzehnte bestimmen wird“, sagte Biden am Dienstagabend (Ortszeit) bei seiner Rede zur Lage der Nation vor beiden Kammern des US-Kongresses. Die Amerikaner stünden dem nicht machtlos gegenüber, sondern hätten es selbst in der Hand, diesen Moment zu gestalten.
„Wir müssen die Nation sein, die wir in unseren besten Zeiten immer waren: optimistisch, hoffnungsvoll, nach vorne schauend“, sagte Biden. „Eine Nation, die Licht über Dunkelheit, Hoffnung über Angst, Einheit über Spaltung, Stabilität über Chaos stellt.“ Die Seele der Nation sei stark, das Rückgrat der Nation sei stark, die Menschen der Nation seien stark – deshalb sei auch das Land in starker Verfassung.
„Wenn China unsere Souveränität bedroht, werden wir handeln“
An die Führung in Peking sandte Biden nach dem Abschuss eines chinesischen Überwachungsballons über US-Territorium eine klare Warnung. „Wenn China unsere Souveränität bedroht, werden wir handeln, um unser Land zu schützen, und das haben wir getan“, sagte Biden bei seiner Rede. Er sei aber entschlossen, mit China dort zusammenzuarbeiten, wo amerikanische Interessen zum Wohle der Welt gefördert werden könnten. Er habe dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass die USA den Wettbewerb suchten, nicht den Konflikt.
Der Ukraine versprach Biden einmal mehr langfristige Unterstützung. „Wir werden Ihnen zur Seite stehen, so lange es nötig ist.“ Der von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnete „brutale“ Angriff auf die Ukraine habe Amerika und die Welt auf die Probe gestellt. Amerika und seine Partner stünden ein für die Demokratie und grundsätzliche Werte. Die Vereinigten Staaten hätten die internationale Reaktion auf Russlands Krieg angeführt. „Wir haben die NATO geeint und eine globale Koalition gebildet. Wir haben uns gegen Putins Aggression gestellt. Wir standen an der Seite des ukrainischen Volkes“, sagte Biden. Und das täten die USA auch weiterhin.
Die robuste US-Wirtschaft und die niedrige Arbeitslosigkeit von 3,4 Prozent rühmte Biden als Leistung seiner Regierung. „Wir haben bereits 800.000 gut bezahlte Arbeitsplätze in der Fertigung geschaffen, das schnellste Wachstum seit 40 Jahren“, sagte Biden. „Ich meine, im ganzen Land, nicht nur entlang der Küste, sondern auch mitten durch das Land.“ Die Inflation bedingt durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg sei zwar noch immer ein großes Problem, doch Sprit- und Nahrungsmittelpreise würden in den USA inzwischen wieder fallen. „Wir sind im Moment besser aufgestellt als jedes andere Land der Erde.“
Biden will mehr auf US-Produkte setzen
Die heimische Industrie will Biden in Zukunft noch stärker unterstützen und auf das Prinzip „Made in America“ setzen. „Wir werden sicherstellen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt. Die Lieferkette beginnt in Amerika“, sagte Biden. Er werde dafür kritisiert, dass er auf amerikanische Produkte setze. Aber er werde sich dafür nicht entschuldigen, betonte der Demokrat. „Das ist völlig im Einklang mit den internationalen Handelsregeln.“
Konkret kündigte Biden an, dass Baumaterialien für vom Bund geförderte Infrastrukturprojekte in Amerika hergestellt werden müssten. Dabei geht es um Kupfer, Aluminium, Glasfaserkabel, Bauholz und Trockenbauwände. „Unter meiner Aufsicht werden amerikanische Straßen, Brücken und Autobahnen mit amerikanischen Produkten gebaut“, sagte Biden.
Innenpolitisch kritisierte Biden in seiner Rede den sozialpolitischen Kurs der Republikaner. Anstatt die Reichen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen zu lassen, wollten einige Republikaner Krankenversicherungs- und Sozialversicherungsbezüge alle paar Jahre auf den Prüfstand stellen. Er werde aber nicht zulassen, dass bei der Sozialversicherung gekürzt werde, versprach der Demokrat. Gegen mögliche Vorstöße in diese Richtung werde er ein Veto einlegen. „Diese Leistungen gehören dem amerikanischen Volk“, betonte er. „Sie haben sie verdient.“
Einige Republikaner reagierten bei der Ansprache mit Zwischenrufen auf Bidens Aussagen an dieser Stelle. Biden verteidigte sich und sagte, einige Republikaner hätten diese Dinge tatsächlich vorgeschlagen. Nur aus Höflichkeit nenne er ihre Namen nicht.
„Verbieten Sie diese Sturmgewehre“
Gleichzeitig rief Biden die Republikaner dazu auf, einer Erhöhung der Schuldenobergrenze zuzustimmen. „Einige meiner republikanischen Freunde wollen die Wirtschaft als Geisel nehmen, es sei denn, ich stimme ihren Wirtschaftsplänen zu“, sagte Biden. Er verwies darauf, dass der Kongress auch während der Amtszeit seines republikanischen Vorgängers Donald Trump die Schuldenobergrenze angehoben und so eine „wirtschaftliche Katastrophe“ verhindert habe. „Ich fordere den Kongress auf, diesem Beispiel zu folgen.“ Er werde in Verhandlungen zu dem Thema keine Kürzungen bei Sozialprogrammen akzeptieren.
Im Kampf gegen die grassierende Waffengewalt rief Biden zum Verbot von Sturmgewehren auf. Wie vor knapp 30 Jahren müsse es ein Gesetz zur Abschaffung der automatischen Waffen geben. Damals sei die Regelung schließlich ausgelaufen, daraufhin habe sich die Zahl der Toten durch Massaker verdreifacht. „Lassen Sie uns die Arbeit beenden, verbieten Sie diese Sturmgewehre!“, rief Biden.