Der Begrüßungsapplaus für den Bundeskanzler fällt deutlich aus, aber den Dissens zwischen Kommunen und Bund kann er nicht kaschieren. Als Olaf Scholz (SPD) am Mittwochnachmittag das Podium beim Deutschen Städtetag in Köln betritt, bemüht er zunächst vor allem das Wort „gemeinsam“.
Er betont lächelnd vor den versammelten Oberhäuptern der Städte, dass Bund, Länder und Kommunen in den vergangenen Monaten und Jahren vieles gemeinsam geschafft und Krisen gemeistert hätten. Auch diese Solidaritätsadresse reicht nicht, den Dauerkonflikt im Föderalismus zu überdecken, ganz im Gegenteil: Mit dem Besuch des Kanzlers wird der Dauerkonflikt letztlich noch zementiert.
Es geht vor allem ums Geld. Bereits am Mittwochmorgen hat es der Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster, Markus Lewe (CDU), eindringlich formuliert: „Fehlende natürliche Ressourcen, fehlende finanzielle Ressourcen, fehlende Fachkräfte, fehlende Wohnungen, fehlende Kita-Plätze.“
Lewe nennt Wärmewende, Energiewende, Mobilitätswende und Transformation der Städte als zentrale Herausforderungen. „All das gibt es nicht zum Nulltarif. Dafür braucht es die notwendigen Mittel“, sagt Lewe. „Bund und Länder müssen die notwendigen Mittel bereitstellen.“
Das Deutsche Institut für Urbanistik hat bundesweit die Oberbürgermeister der Kommunen ab 50.000 Einwohnern befragt. Demnach besteht, wie bereits in den Jahren 2015 bis 2017, aktuell der größte Handlungsbedarf bei der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Ein erhöhter Investitionsbedarf ergibt sich auch in den Bereichen Klimaschutz und Klimaanpassung.
Der Verband, dem 3.200 Kommunen mit etwa 53 Millionen Einwohnern angehören, sehen dabei das geplante Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerst kritisch. Die geplante Pflicht, bereits 2035 einen Anteil von 65 Prozent erneuerbaren Energien im kommunalen Wärmenetz sicherzustellen, sei „nicht realisierbar“, warnt Verbandspräsident Lewe. Die Wärmewende gehe „nicht in einer Hauruckaktion“ und „nicht ohne die Städte“. Die Kommunen müssten generell bei der Gesetzgebung stärker einbezogen werden: „Das geht nicht ,top-down‘, das geht nur gemeinsam und ausgerichtet an dem tatsächlichen Bedarf in den Städten vor Ort.“
Die Kritik konzentriert sich nicht nur auf Habeck, sondern sie trifft weitere Bereiche der Bundesregierung: Verkehr, Wohnen, Bauen, auch dort passiert aus kommunaler Sicht zu wenig. Die Städte übernähmen mehr und mehr die „Rolle der Mängelverwalter“, sagt Lewe. Diese altbekannten Defizite erreichen in Zusammenhang mit der zunehmenden Krise bei der Unterbringung von Flüchtlingen eine neue Dramatik. „Wir stoßen vielerorts an Grenzen“, beklagt OB Lewe.
Pauschale Beträge reichten nicht. Es brauche „endlich einen langfristigen Plan“ und ein „Finanzierungssystem, das sich den Flüchtlingszahlen anpasst. Wenn mehr Menschen kommen, brauchen wir auch mehr Mittel“, so Lewe. Noch immer ist die Enttäuschung groß über den letzten Flüchtlingsgipfel mit dem Kanzler.
„Migration steuern und ordnen“
Doch Scholz ist nicht zur Messe Köln gekommen, um den Kommunen neue Hilfen anzukündigen. Vielmehr betont er in seiner 20-minütigen Rede, dass der Bund mehr Finanzhilfen zur Verfügung stelle als noch 2015/2016. Der Bund leiste seinen Teil der Unterstützung, so Scholz, „übrigens auch in vielen Bereichen, in denen gemäß unserer föderalen Ordnung die Länder und Kommunen unmittelbar zuständig sind“.
Er warnt auch davor, die Diskussion allein auf finanzielle Fragen zu reduzieren. „Denn wer das tut, der spielt denen in die Hände, die mit dem Feuer des Ressentiments zündeln“, warnt der Kanzler. Es gehe darum, „Migration zu steuern und zu ordnen“. Man habe sich auf europäischer Ebene auf eine Reform des Asylsystems verständigt mit stärkeren Kontrollen und „physischer Sicherung der Außengrenzen“. Es werde auch an Abkommen mit Herkunftsländern gearbeitet.
Scholz sagt, wer kein Bleiberecht habe, müsse Deutschland wieder verlassen. Dabei klingt auch durch, dass die Kommunen ihrerseits effizienter werden müssten. Die zuständigen Behörden müssten rund um die Uhr erreichbar sein, sagt der Kanzler. Auch an anderer Stelle retourniert er den Tadel am Bund mit der Aufforderung, Länder und Kommunen müssten Vorschriften überprüfen und die Digitalisierung vorantreiben.
Der Kanzler beantwortet noch ein paar Fragen, aber Kritik mag er partout nicht annehmen. Als Scholz nach etwa einer Stunde den Saal verlässt, gibt es wieder Beifall. Es ist eine reine Geste der Höflichkeit, eine Einigung liegt immer noch in weiter Ferne.
„Kick-off Politik“ ist der tägliche Nachrichtenpodcast von WELT. Das wichtigste Thema analysiert von WELT-Redakteuren und die Termine des Tages. Abonnieren Sie den Podcast unter anderem bei Spotify, Apple Podcasts, Amazon Music oder direkt per RSS-Feed.