Die Bundesregierung hat sich beunruhigt über den Vorfall mit einem mutmaßlichen chinesischen Spionageballon in den USA gezeigt. „Wir haben die Berichte über den Überflug eines chinesischen Ballons im Luftraum der USA und dessen Abschuss mit Sorge zur Kenntnis genommen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner.
Berlin hoffe, „dass der Vorfall nicht zu weiteren Spannungen beziehungsweise einer Eskalation im amerikanisch-chinesischen Verhältnis führen wird“
Die Frage, ob es auch über Deutschland schon ähnliche Vorfälle gab, blieb unbeantwortet. Für Bewertungen mit Blick auf Deutschland sei es „zu früh“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in der Regierungs-Pressekonferenz. „Es gibt noch keine Erkenntnisse, die wir ihnen hier nennen könnten.“ Allerdings könne er sich zu nachrichtendienstlichen Erkenntnissen „auch hier gar nicht äußern“.
Peking spricht von „Unfall“
Aus Protest gegen den Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons durch das US-Militär hatte Chinas Außenministerium den Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft in Peking einbestellt. Wie das Außenamt am Montag mitteilte, sagte Vizeaußenminister Xie Feng bei der Begegnung am Sonntag, das Eindringen des Ballons sei nur ein „Unfall“ gewesen, der durch „höhere Gewalt“ passiert sei. „Die Fakten sind klar und können nicht verdreht werden.“
Trotzdem hätten sich die USA „taub gestellt“ und darauf bestanden, „Gewalt gegen ein ziviles Luftschiff zu missbrauchen, das dabei war, den Luftraum der USA zu verlassen“. Es sei eine „offensichtliche Überreaktion“ gewesen und verletze „den Geist des Völkerrechts und internationale Normen“, wurde der Vizeaußenminister zitiert.
Die USA hätten damit die Bemühungen und Fortschritte auf beiden Seiten, die Beziehungen seit dem Treffen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden im November zu stabilisieren, „ernsthaft beeinträchtigt und beschädigt“, sagte Xie Feng nach diesen Angaben.
FBI beteiligt sich an Auswertung
Die chinesische Regierung werde die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen und behalte sich das Recht auf notwendige Reaktionen vor. In einem indirekten Hinweis, der wohl auf etwaige zivile Eigentümer des Ballons schließen lassen sollte, hieß es in der Mitteilung ferner, die Regierung wolle „die legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen“ wahren.
Die USA hatten den Ballon, der tagelang über den USA geflogen war, am Sonntag vor der Atlantikküste von South Carolina mit einer Rakete abgeschossen. Derzeit läuft die Bergung der Trümmerteile. Die Bundespolizei FBI beteilige sich an der Auswertung, berichteten US-Medien. Die Trümmer lagen nach Pentagon-Angaben rund elf Kilometer vor der Küste South Carolinas in relativ flachem Wasser.
Von der Auswertung der Trümmerteile erhoffen sich die USA nun Aufschluss über die technischen Fähigkeiten des Ballons. Die Debatte über den Umgang mit dem Flugobjekt geht derweil weiter. Präsident Joe Biden gab sich entscheidungsstark. Er habe nach eigenen Angaben bereits am Mittwoch angeordnet, den Ballon „so schnell wie möglich“ abzuschießen. Ein Risiko für die Menschen am Boden sollte aber ausgeschlossen werden, daher sei entschieden worden, das Flugobjekt erst über dem Meer vom Himmel zu holen.
Die USA planen jedoch keine Rückgabe der Trümmerteile an China. „Ich weiß von keiner Absicht und keinen Plänen, es zurückzugeben“, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Montag zu Journalisten. Er betonte, die USA würden sich von der Untersuchung der geborgenen Teile weitere Erkenntnisse zu dem Ballon erhoffen.
Kirby sagte, die Einsatzkräfte hätten bereits erste Teile von der Meeresoberfläche geborgen. Wegen der Wetterverhältnisse seien Tauchgänge aber schwierig. Spezialisten würden aber „in den kommenden Tagen in der Lage sein, da runterzugehen und einen besseren Blick auf das zu bekommen, was auf dem Boden des Ozeans liegt“, sagte Kirby. Das Trümmerfeld sei „ziemlich groß“.
Mehrere US-Republikaner kritisierten Bidens Vorgehen scharf. Senator Thom Tillis aus North Carolina schrieb auf Twitter: „Jetzt, wo diese peinliche Episode vorbei ist, brauchen wir Antworten von der Biden-Regierung über den Entscheidungsprozess. Das kommunistische China durfte tagelang ungehindert die amerikanische Souveränität verletzen. Wir müssen auf künftige Provokationen und Übergriffe Chinas besser vorbereitet sein.“
USA wollen keinen Konflikt mit China
Die US-Regierung wollen einen Konflikt mit China trotzdem weiter vermeiden. Man habe im Einklang mit internationalem Recht gehandelt, den Ballon über dem Staatsgebiet der USA abzuschießen, stellte der Kommunikationsdirektor des nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung, John Kirby, klar. Die USA hätten damit ihren Luftraum und ihr Land verteidigt. Es gebe keinen Grund, die Spannungen in den bilateralen Beziehungen der beiden Länder in einen Konflikt abgleiten zu lassen.
China hatte den Abschuss des Ballons durch die USA am Wochenende zuvor als „offensichtliche Überreaktion“ der USA kritisiert, die den Geist des Völkerrechts verletzt habe. China behalte sich das Recht auf notwendige Reaktionen vor, hieß es aus Peking. Nach Auftauchen des Ballons über dem Nordwesten der USA vergangene Woche hatte Außenminister Antony Blinken seine Reise nach Peking abgesagt.
Schon vor dem Eindringen des chinesischen Ballons in den US-Luftraum habe es Spannungen zwischen den beiden Ländern gegeben, sagte Kirby. Der Besuch von Blinken hätte helfen sollen, diese Spannungen abzubauen. Ziel wäre es gewesen, Kommunikationskanäle wiederzubeleben, die nach der Taiwan-Reise der damaligen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im August zum Erliegen kamen.
Der Ballon-Zwischenfall habe daher die Bestrebungen gehemmt, die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten wieder zu verbessern, sagte Kirby. Dafür sei nach der „ungeheuerlichen“ Verletzung des US-Luftraumes nicht der richtige Zeitpunkt. Der Besuch werde nachgeholt, sobald die Voraussetzungen dafür gegeben seien. Man stehe aber nach wie vor über die Botschaften der beiden Länder in Kontakt.
Weiterer Ballon stammt auch aus China
Derweil wurde bekannt, dass ein weiterer großer Ballon, der über Lateinamerika unterwegs ist, ebenfalls aus China stammt. Die chinesische Außenamtssprecherin Mao Nin bestätigte am Montag vor der Presse in Peking die Herkunft des Flugobjekts, das zuletzt über Kolumbien gesichtet wurde. Der Ballon habe einen „Flugversuch“ unternommen, diene „zivilen Zwecken“ und sei auf Abwegen.
Ähnlich wie im Falle des abgeschossenen mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über den USA sagte die Sprecherin, durch das Wetter und seine begrenzten Steuerungsmöglichkeiten sei er in den Luftraum lateinamerikanischer Staaten eingedrungen.
Als verantwortliches Land habe China die betroffenen Länder informiert und sei angemessen mit dem Fall umgegangen. „Wir werden keine Bedrohung für andere Länder darstellen, was von allen verstanden worden ist“, sagte die Sprecherin.
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