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Eine für alle: Meine Fasten-App ist stolz auf mich

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Die Kolumnistin fastet. Nicht übertrieben, 16:8 oder 15:9 (oder so), und es ist wirklich nicht schlimm. Vor allem, weil sie sich und anderen gönnt, zu schummeln. Aber bewusster. Denn das ist der Schlüssel zum Erfolg.

„Herzlichen Glückwunsch zu diesem fantastischen Meilenstein“, schreibt meine Fasten-App mir diese Woche als Mail. „20 Tage durchzuhalten ist eine erstaunliche Leistung. Wir hoffen, dass du stolz auf dich bist – wir sind es allemal!“ Und es geht noch weiter, meine App kann sehen: „Wir sehen, welche unglaublichen Schritte du unternimmst, um mehr Freude in dein Leben zu bringen, und wir sind uns sicher, dass du es schaffst.“

Moment mal, ich komme nicht mehr hinterher. Doch beginnen wir von vorne: Nach einem Wochenende vor einiger Zeit beschlossen eine Freundin und ich, dass es so nicht mehr weitergehen könne. In Nizza auf dem Tisch tanzen ist ja das eine, aber in Nizza auf dem Tisch von anderen Leuten zu tanzen ist nochmal ein anderer Schnack. Der Rosé floss und weil man auf einem Bein ja schlecht stehen kann, machten wir am nächsten Abend gleich weiter.

Schummeln, aber bewusster

Morgens/Vormittags gingen wir zur Strafe an die Promenade runter ans Meer zu einem Reue-Workout und dann zum Abhärten noch ins eiskalte Mittelmeer bei Regen, aber richtig, mit Kopfuntertauchen und Schwimmen, nicht nur Rumhüpfen. Es interessierte sich dort zum Glück niemand für zwei verkaterte Frauen im Krieger, Hund oder Happy Baby, und schon gar nicht für den Typen neben uns, der zu Pamela Reif turnte, aber egal: Der Vorsatz wurde gefasst, dass wir mal etwas langsamer machen. Für einen Monat. 16:8 Fasten, oder 15:9, Alkohol, nur wenn es unbedingt nötig ist, also man bei einem Geburtstag eingeladen ist oder so – wobei „oder so“ natürlich das Gefährlichste an der Sache ist.

Gesagt, getan, wir starteten am Tag darauf und luden uns eine App herunter, die uns ermuntert, die nächsten Wochen durchzuhalten. Sie ist kostenlos, die Extra-Gimmicks muss man kaufen. Lassen wir, Extra-Gimmicks kennen wir genug. Nach 20 Uhr nichts essen, dann erst wieder in 16 Stunden. Bei Frühdienst eine echte Herausforderung, denn da esse ich eigentlich gern durchgehend acht Stunden ab sechs Uhr morgens, um den Ofen am Lodern zu halten. Aber ich schaffe das.

The Glow

Die Regel sechs bis neun Stunden Schlaf ist hart, nun, sechs sind schon gut. „Iss den Regenbogen“ heißt eine weitere, und ja, gerne, Hauptsache essen, viel Wasser ebenso, und jetzt kommt’s: „Übe dich in Dankbarkeit“. Den Punkt muss ich wirklich üben, also zähle ich mir immer wieder mal auf, was mich dankbar machen könnte (das ist sehr privat), aber der richtige Glow von innen kommt da bei mir nicht durch, ist wohl ’ne Typsache. Dafür nehme ich „Glow“ in Pulverform, und tatsächlich glaube ich, anders zu glühen als sonst. Dankbarer? Weiß nicht, ich mache mehr Sport als sonst, ich versuche, mich etwas runterzufahren, ich versuche wirklich, bewusster zu leben. Allein – es kommt immer was dazwischen (dieses „oder so“), ich muss wohl nach Bali oder an die Ostsee, fürchte ich, um echt abzuschalten.

Und dann kommt wieder eine Nachricht von der App: „Tu Dinge, die du liebst!“ Essen? Ist wohl nicht gemeint, also spiele ich Tennis bis das Gestell schmerzt, und immerhin spüre ich mich jetzt richtig dolle an allen Gelenken. Gleichzeitig verbringe ich Zeit in der Natur, ist doch gut, und ich kann derweil ja auch keinen Alkohol zu mir nehmen („I stay up, clean the house, at least I’m not drinking, run around just so I don’t have to think about thinking“, Amy Winehouse aus „Wake Up Alone“). Ich bin eine super Fasterin, die Schummel-Tage beachte ich nicht weiter, aber die waren vorher ja auch vereinbart.

Wein weggeschüttet, was ist los mit mir?

Ich frage mich, was Hunger mit Menschen macht und bin wie immer fassungslos, dass auf unserem kleinen Planeten Menschen verhungern müssen, während andere Lebensmittel nicht essen oder wegschmeißen und wieder andere dafür bestraft werden, wenn sie weggeschmissenes Essen aus der Mülltonne retten. Kaputte Welt … Ich frage mich, ob meine Großeltern über neunzig werden konnten, nicht obwohl, sondern weil sie im Krieg waren, in einer Zeit lebten und glücklicherweise überlebten, weil sie Mängel von allen Seiten kannten. Sie waren so viel Kummer gewöhnt, so abgehärtet.

Ich frage mich, ob Zivilisationskrankheiten mit einer Überernährung, wie die der Nachkriegsgeneration, einhergehen, und ob dieses künstliche Darben wie beim Fasten nun wirklich dazu beiträgt, auf lange Sicht etwas Gutes für sich zu tun. Meine App sagt ganz eindeutig „Ja“: „Wie bei jeder positiven Gewohnheit ist Beständigkeit der Schlüssel. Wenn du so oft wie möglich IF – also Intervallfasten – praktizierst, wirst du dich im Alltag immer besser fühlen und dauerhafte Ergebnisse erzielen.“ Ich fühle mich ein bisschen wie in einer Sekte, aber immerhin messe ich meinen Erfolg an besser sitzenden Hosen. Ich mach‘ weiter, ich weiß, es dauert, bis wirklich sichtbare Erfolge messbar sind, aber meine App und ich, wir sind inzwischen zusammengewachsen wie Freundinnen in der Grundschule.

Meine andere Freundin, die die auch fastet, schreibt mir zwischendurch: „Heute Wein weggeschüttet, was ist los mit mir? Zigarette nach einem Zug gelöscht, aber nur einen von neun selbst verordneten Cleandays nicht geschafft“, und ich antworte ihr tröstlich: „Ich cheate auch, aber bewusster.“

Lesen Sie hier den vollständigen Artikel.
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